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Ich habe gerade Magdas Zusammenfassung und Gedanken gelesen und kann nur feststellen, mir ist es ähnlich ergangen. Beim Lesen flog ich von einer Ohnmacht in die nächste… Erschüttert hat mich , dass Sivert zum Mörder seiner Großmutter geworden ist . Würde ein heutiges Gericht die Tat als Totschlag bewerten? Egal, auf jeden Fall ist Sivert wieder einmal in eine äußerst missliche Lage geraten, weil er um Anerkennung in der Gesellschaft kämpft, sich für seine Herkunft schämt und sich dadurch wiederholt zu unkontrollierten Handlungen hinreißen lässt. Fassungslos macht mich, dass alle in der Familie, in der Gesellschaft Bergens, den Tod als Unfall aufgrund von Olines Trunkenheit hinnehmen und nicht infrage stellen. Olines Leben scheint wertlos; vermutlich sind die meisten erleichtert, sie los zu sein. Was hat Peder eigentlich gesehen, der ja am Tatort aufgetaucht war?

Diese erniedrigende Szene zwischen Ravn und Andrea war kaum zu ertragen. Es ist aber auch heute noch ein funktionierendes Beziehungsschema: Frauen kehren zu ihrem schlagenden Mann zurück oder ziehen ihre Anzeige vor Gericht zurück, weil er sich bessern will und sie schließlich liebt. Ich frage mich, wie können wir diese heute noch funktionierenden Muster aufbrechen ? Was muss Erziehung/Bildung/ Gesellschaft leisten, damit jeder Mensch sich als wertvoll wahrnimmt und jegliche erniedrigende Behandlung entschieden zurückweisen kann?

Viele Gedanken habe ich mir über das Ehepaar Virs gemacht, die Sivert zwar entlassen haben, jedoch seine „Schandtaten“ nicht öffentlich bekannt gaben. Ich muss immer etwas Positives in Menschen finden… :-). Verkörpern diese das Soziale, Fürsorgliche? Gibt es in dieser Ehe einen gleichberechtigten Umgang miteinander, denn Madams Meinung wird ernst genommen. Für sie scheint Sivert eine Art Sohn zu sein.

Petras Schicksal hat mich tief berührt. Nachdem sie sich endlich von ihren unrealistischen Träumen verabschiedet hat, muss sie sich eingestehen, dass aus ihrer Sicht, ihre Schwester Andrea, ein besseres Los als sie gezogen hat. Die Wirklichkeit kennt sie ja nicht. Möglicherweise würde sie sich als „Kind ihrer Zeit“ sogar auf Ravns Seite stellen und Andrea mit Vorwürfen überschütten, weil sie an diesem Ausflug teilgenommen hatte. Nun nimmt Petra doch Siverts Antrag an, denn eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben sieht sie für sich nicht. Interessant fand ich, Siverts „Hellsichtigkeit“ hinsichtlich der Großzügigkeit des Konsuls ihnen gegenüber. Petra und Sivert kommen mir beide wie Gefangene ihres Schicksals und der vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse vor. Ein guter Stern steht über dieser Beziehung wohl kaum.

Amalie Skram gibt einen grandiosen Einblick in das gesellschaftliche Leben der reichen und armen Menschen Bergens. Ich habe den Eindruck, dass sie aufgrund ihrer eigenen Biografie den Fokus insbesondere auf die Frauen legt, doch stellt sie ebenfalls die männlichen Charaktere differenziert da. Das gefällt mir an diesen Büchern sehr. Nun bin ich gespannt auf Band 4.

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Das Ehepaar Virs hat mich in seiner Güte und Bereitschaft, über Siverts Verfehlungen, so weit es halt möglich ist, hinwegzusehen, sehr an die beiden Franzosen aus dem zweiten Band erinnert. Auch die hatten ja großzügig beide Augen zugedrückt und wenn Siverts vermaledeiter Stolz bzw. seine Scham über seine Herkunft nicht gewesen wären, hätten sie ihm womöglich zu einer viel glücklicheren Zukunft verhelfen können. Ich vermute auch, wenn Sivert von anfang an Virs und seiner Frau gegenüber ehrlich über seine (finanziellen) Probleme gewesen wäre, statt einfach von ihnen zu stehlen, wären sie sicher bereit gewesen, ihm zu helfen. Er steht sich immer selbst im Weg.

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