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Tatsächlich überwältigt mich im ersten Drittel des dritten Bandes die Vielzahl an gesellschaftlichen und familiären Themen.

Sieverts „Fehltritt“: mir geht es auch so wie Magda, im einen Moment denke ich, es ist nur zu einer Annäherung gekommen, im nächsten dass es zum Vollzug kam. Aber arbeitet hier Skram nicht bewusst mit dem Vagen, um heraus zu stellen, wie sehr das Denken der Menschen von den Zwängen der Religion geprägt war? Jungen Frauen waren diesen Zwängen mehr ausgesetzt, ich finde sehr interessant, wie Skram diese Kritik in einen einzigen Satz packt, den sie die Zimmergenossin von Lydia sagen lässt.

Alkoholismus: die Beziehung zwischen Merthe und Magnus stellt einen anderen Umgang damit dar. Im ersten Moment liebevoll, ich sehe aber Merthes Verzweiflung unter dem Deckmantel der vorgespielten Fröhlichkeit. Was bleibt ihr schon übrig, sie bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Alle Kinder sind tot. Und hier kommt für mich die allerschlimmste Stelle: Merthe deutet an, dass sie unter anderem deshalb gestorben sind, weil Magnus ihnen Schnaps einträufelte, um sie ruhig zu stellen. Die Kinder seien sowieso sehr schwächlich gewesen, ich vermute Alkoholkonsum in der Schwangerschaft. Hier zeigt sich die direkte Folge des Alkoholmissbrauchs auf die nächste Generation (möglicherweise auch schon bei Oline und Sjurs jüngstem Kind?).

Ableismus: schön, grausam und traurig wird anhand von Hans der Umgang mit behinderten Menschen durch Gesellschaft und Familie dargestellt. Ist das Handeln seiner Mutter Konsequenz des gesellschaftlichen Drucks und auch ihrer Hilflosigkeit? Und wie lange ist das noch der normale Umgang mit behinderten Menschen? Wie lange wurden behinderte Familienmitglieder noch in Hinterzimmern weggesperrt oder man überließ sie tagsüber sich selbst, weil niemand Zeit hatte, sich um sie zu kümmern. Hans gerät auch immer wieder in Situationen, in denen er verprügelt wird, weil er ein gutes Opfer ist. Und wünscht sich seine Mutter nicht manchmal auch seinen Tod?

Wie anfangs erwähnt überwältigt mich die Vielzahl der Themen, ich hab mir nur die drei für mich prägnantesten heraus gesucht.

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Du hast natürlich recht, dass unter Merthes oberflächlich liebevollem Umgang mit ihrem Mann auch Verzweiflung steckt und das mit den verstorbenen Kindern, denen Magne Alkohol gegeben hat, hat mich beim lesen so schockiert, dass ich es glatt verdrängt hatte, als ich meinen Post schrieb.

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