Magdas literarische Frühjahrsvorschau (Teil 2)
Übersetzungen aus anderen Sprachen als Englisch und Wiederentdeckungen/Neuauflagen älterer Werke
Ihr Lieben,
kaum zu glauben, aber heute feiert dieser Newsletter schon seinen dritten Geburtstag! Als ich am 10. Februar 2021 die erste Ausgabe verschickt habe, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich ihn drei Jahre später immer noch (semi)regelmäßig verschicken und vor allem, dass so viele von euch dabei treu mitlesen würden. Danke für eure anhaltende Unterstützung und euer Interesse für mein ungefiltertes, sehr subjektives Literaturgelaber! Mal gucken, ob wir es drei weitere Jahre miteinander aushalten.
Bevor ich mich gleich dem sicherlich von euch allen heißersehnten zweiten Teil meiner literarischen Frühjahrsvorschau widme, muss ich aber erst noch meine vermutlich wichtigsten (beruflichen) Neuigkeiten des Jahres mit euch teilen:
Ich bin dieses Jahr Teil der Jury des Deutschen Buchpreises! Seit Dienstag ist es offiziell und ich kann es selbst noch immer nicht so richtig fassen, dass ich in den nächsten Monaten zusammen mit meinen Jurykolleg*innen Gerrit Bartels, Natascha Freundel, Torsten Hoffmann, Marianna Lieder, Regina Moths und Klaus Nüchtern darüber entscheiden darf, welches Buch im Oktober in Frankfurt zum "Roman des Jahres" gekürt wird. Ich bin extrem motiviert und freue mich auf lebhafte Diskussionen und herausfordernde Lektüren, habe aber auch gehörigen Respekt vor dem Lesepensum, das da ab Ende März, wenn die offizielle Einreichungsphase für die Verlage endet, auf mich zukommen wird. Inhaltliche Details aus der Juryarbeit darf ich natürlich nicht preisgeben, aber ich werde in den nächsten Monaten sicher immer mal wieder erzählen, wie es mir gerade so ergeht auf dieser für mich ganz neuen und aufregenden Reise. Ich werde deshalb sicher auch nicht ansatzweise dazu kommen, all die tollen Übersetzungen und Wiederentdeckungen aus diesem Frühjahr, die ich euch im Folgenden vorstellen möchte, selbst zu lesen, deshalb müsst diesmal ihr das für mich übernehmen, ok?
Übersetzungen Belletristik (andere Sprachen als Englisch)
Letzte Woche habe ich euch die Übersetzungen neuerer Bücher aus dem Englischen aufgezählt, die in diesem Frühjahr für mich vielversprechend klingen, diesmal sind die Übersetzungen aus anderen Sprachen dran.
Scholastique Mukasonga, Kibogos Himmelfahrt (Ü: Jan Schönherr, Claassen, 1.2.): In ihrem neuen Roman erzählt die ruandisch-französische Autorin in vier sich überlappenden Teilen die Legende des ruandischen Volkshelden und Märtyrers Kibogo, der einst das Volk von Dürre und Hungersnot gerettet haben soll, aus unterschiedlichen Perspektiven immer wieder neu und spielt dabei mit den Rhythmen mündlicher Erzähltraditionen ebenso wie mit der Sprache der christlichen Evangelien, wobei die verschiedenen, teils kolonialistischen, Interpretationen der Legende immer wieder miteinander kollidieren, die Frage nach der Deutungshoheit immer wieder neu verhandelt wird. Ich durfte es schon lesen und war sehr fasziniert!
Audrée Wilhelmy, Weißes Harz (Ü: Tabea A. Rotter, Marix, 20.2.): "Im Norden Kanadas wächst das Mädchen Daã in grenzenloser Freiheit auf. Die 24 Nonnen des Konvents, in dem es geboren wurde, sind einst vor Elend und Missbrauch geflohen und schätzen nichts mehr als Eigenständigkeit. Daã darf sich voll entfalten, streunt täglich durch die Taiga, lernt die Sprache der Natur und entwickelt sich zu einer unabhängigen und selbstgenügsamen jungen Frau. Als ein Geistlicher ihre Vormundschaft übernehmen soll, bricht sie auf, um als Nomadin jahrelang allein durch die Wildnis zu ziehen – bis sie dem jungen Arzt Laure verletzt vor die Füße fällt…" Nonnen, Frauen in der Wildnis, eine "Mischung aus realistischem Märchen, romantischem Drama und feministischer Fabel", brauch ich sofort!
Olga Ravn, Meine Arbeit (Ü: Alexander Sitzmann/Clara Sondermann, März Verlag, 28.2.): Wenn ihr wüsstet, wie lange ich schon darauf warte, dass dieses formenhybride Buch von Olga Ravn — es vereint Prosa, Gedichte, Tagebuch, Briefe — über die Frage nach der Vereinbarkeit von künstlerischem Schaffen, Alltag und Mutterschaft endlich aus dem Dänischen übersetzt wird!
Volha Hapeyeva, Samota (Ü: Tina Wünschmann/Matthias Göritz, Droschl, 29.2.): "Am Anfang herrscht bohrende Stille, doch das Brodeln hat bereits begonnen. Majas Forschungen über den Ausbruch eines Vulkans geraten ins Stocken. Zeitgleich findet in ihrem Hotel der Kongress zur »Regulation von Tierpopulationen« statt und sinistre Gestalten tummeln sich um sie. – In einer zweiten Zeitebene gerät Sebastian mit dem düsteren Jäger Mészáros aneinander, und es geht um Leben und Tod. – Und die leicht schrullig-überdrehte Helga-Maria scheint eine Mittlerin und Wanderin zwischen den Zeiten zu sein. Wie hängt all das zusammen?" Ich habe vor einigen Jahren mal einen (autobiografischen?) Coming-of-Age-Roman von Volha Hapeyeva gelesen, ihr neues Buch scheint aber in eine ganz andere Richtung zu gehen. Der Verlag nennt es "ein geheimnisvolles, verspieltes Buch mit Noir-Elementen und magischem Realismus" und das klingt ja erstmal nach genau meinem Geschmack.
Lucía Lijtmaer, Die Häutungen (Ü: Kirsten Brandt, Suhrkamp, 11.3.): "Die Häutungen ist ein Fest der Verdammten – zwei Frauen, die vier Jahrhunderte versetzt leben, streben nach der Befreiung aus dem Patriarchat und gehen dafür waghalsige Risiken ein. Deborah Moody, die im 17. Jahrhundert von London nach Salem reist, von Priestern geächtet wird und als »gefährlichste Frau der Welt« in die Geschichte eingeht. Und eine junge Spanierin, die sich im Jahr 2014 aus einer toxischen Beziehung befreit, von Barcelona nach Madrid zieht und auf Rache sinnt. Zwei Frauen, die entschlossen sind, Feuer mit Feuer zu bekämpfen." Kein Wunder, dass dieser Roman von Jarka Kubsova geblurbt wurde, denn die Parallelen zu deren tollem Roman Marschlande sind auf den ersten Blick erkennbar, entsprechend gespannt bin ich auch auf dieses Buch.
Mariken Heitman, Wilde Erbsen (Ü: Christiane Burkhardt, Klett-Cotta, 16.3.): Ich habe noch nie einen Roman übers Saatgutzüchten gelesen, aber dieser Roman über Elke, die nicht die richtige Kleidung trägt, nicht die richtigen Fragen stellt und in den Augen der Gesellschaft nicht die richtigen Menschen liebt und nun auf einer Insel vor der niederländischen Nordseeküste der Niederlande nicht nur zu zu ihrer eigenen Identität finden, sondern auch die Ur-Erbse wieder auswildern will, könnte mein erster werden!
Anaïs Barbeau-Lavalette, Sie und der Wald (Ü: Anabelle Marthe Assaf, Diogenes Tapir, 20.3.): Ehrlich gesagt hat mich hier der Titel schon völlig überzeugt, denn wie ihr wisst, liebe ich Texte, in denen Frauen (allein) im Wald/der Wildnis zu sich finden. Außerdem hat meine ehemalige Kollegin Maria schon sehr von diesem Buch geschwärmt, deshalb möchte ich es unbedingt lesen.
Alana S. Portero, Die schlechte Gewohnheit (Ü: Christiane Quandt, Claassen, 27.3.): Laut Verlag ist dieser Roman über eine trans Frau, die im Madrid der 80er Jahre aufwächst und "zwischen Armut und Gewalt, politischer Klassenunterdrückung und Momenten heimlicher Solidarität" langsam zu der wird, die sie immer schon war, "eine umgekehrte Heldenreise, verfasst in gleißend schöner Sprache, in der schillernde Außenseiter sich zu einer Gemeinschaft formen, die das Überleben möglich macht" und ich habe große Lust darauf, der Erzählerin auf ihrem Weg zu folgen.
Caro Van Thuyne, Birkenschwestern (Ü: Lisa Mensing, Maro Verlag, März): "Als ihre Trauer so viel Raum einnimmt wie ein Elefant, macht Mari sich auf den Weg. Sie lässt ihren Mann Felix zurück und folgt der Rin. Während sie versucht, sich von ihrem Schmerz freizuwandern und einen neuen Pfad für ihr Leben zu finden, baut Felix einen Ort, an dem sich Mari vielleicht irgendwann wieder zu Hause fühlen kann. Monatelang folgt sie dem Weg des Flusses, allein und doch begleitet – von Büchern von Annie Dillard und Richard Skelton, ihren eigenen Logbuchnotizen, die sie immer wieder nach Hause zu Felix schickt, und einer flügellahmen Dohle – Richtung Meer." Ich mag Bücher über einsame Frauen in der Natur, ich habe vorletztes Jahr schon eine sehr gute Übersetzung von Lisa Mensing aus dem Niederländischen gelesen, und ich vertraue dem Maro Verlag nach mehreren Überraschungshighlights der letzten Jahre grundsätzlich sehr bei deren Programmauswahl, deshalb freue ich mich auf diesen Roman.
Margarita García Robayo, Das Paket (Ü: Dagmar Ploetz, dtv, 18.4.): Eine Mutter, die sich ihrer vom Leben, Lieben und Lohnarbeiten überforderten Tochter selbst als Paket schickt, um ihr fortan gute Ratschläge zu erteilen — oder ist sie doch nur eine Halluzination der jungen Kolumbianerin, die fern ihrer Heimat ein präkeres Leben führt? Das möchte ich bei der Lektüre dieses Romans unbedingt herausfinden.
Layla Martínez, Heiligenbilder und Heuschrecken (Ü: Christiane Quandt, Eichborn, 31.5.): Als feministische Rachegeschichte mit einem Hauch magischem Realismus bezeichnet der Verlag diesen in einem abgelegenen Dorf in Südspanien spielenden Roman: "Eine Enkelin und ihre Großmutter leben in einfachsten Verhältnissen im alten Haus der Familie - mit Unbehagen beäugt von den restlichen Dorfbewohnern. Denn sie scheinen in einer unheimlichen Verbindung zu stehen mit dem Haus und den Seelen seiner Verstorbenen." Geschichten über Spukhäuser ziehen mich magisch an!
Hiroko Oyamada, Das Loch (Ü: Nora Bierich, Rowohlt, 18.6.): Als die junge Japanerin Asa, die ihren Job aufgegeben hat, um ihrem Mann zurück in dessen Heimatort zu folgen, "sich eines Tages bei unerträglichen Temperaturen auf den Weg in den Nachbarort macht, fällt sie in ein Loch, das scheinbar nur für sie gegraben wurde. Von da an wird Asa immer tiefer in eine unheimliche, eigenmächtige Landschaft gezogen – bis sie ihrer Wahrnehmung nicht mehr traut." Das klingt schön surreal-bedrohlich und ich möchte eh gerne mehr japanische Literatur lesen, deshalb bin ich auf diesen Kurzroman einer der wichtigsten zeitgenössischen japanischen Autorinnen sehr gespannt.
Wiederentdeckungen und Neuübersetzungen
Es wird euch nicht wundern, dass dies meine liebste Vorschaukategorie ist, schließlich dreht sich dieser Newsletter zu großen Teilen um die Wiederentdeckung und Neubewertung von Autorinnen, die vergessen, übersehen, verkannt und in vielen Fällen schlicht ganz bewusst aus dem literarischen Gedächtnis verdrängt wurden (wer wissen möchte, welche Dynamiken hinter einer solchen systematischen Verdrängung von Autorinnen aus dem Kanon stecken, sollte die Bücher von Nicole Seifert und/oder Joanna Russ lesen!). Ich bin so dankbar über jede einzelne Neuauflage einer in Vergessenheit geratenen Autorin, über jeden Verlag, der sich aktiv bemüht, das patriarchal verzerrte Bild der Literaturgeschichte durch eine Neu- oder Erstübersetzung einer im Ausland erfolgreichen Klassikerin ein klein wenig gerader zu rücken!
Diane Oliver, Nachbarn. Stories (Ü: Brigitte Jakobeit/Volker Oldenburg, Aufbau, 22.1.): Von Diane Oliver hatte ich zum ersten Mal 2022 gehört, als Michael A. Gonzales’ Portrait über diese sehr jung verstorbene und zu diesem Zeitpunkt längst in Vergessenheit geratene afroamerikanische Autorin erschien, deren in den 60er Jahren in verschiedenen Anthologien und Zeitschriften veröffentlichten Kurzgeschichten er darin u.a. mit denen von Shirley Jackson verglich. Ihre rund zwei Handvoll Erzählungen waren nie zuvor gesammelt in Buchform erschienen, erst jetzt ist ihr quantitativ spärliches, qualitativ dafür umso beeindruckenderes Gesamtwerk beinahe zeitgleich im englischen Original und in deutscher Übersetzung veröffentlicht und dadurch fast 60 Jahre nach Olivers tragischem Tod im Alter von nur 23 Jahren erstmals einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden.
Eva Ibbotson, Was der Morgen bringt (Ü: Mechtild Ciletti, Kampa, 25.1.): Als Kind habe ich einige von Eva Ibbotsons fantastischen Kinderbüchern gelesen, an die ich mich nur noch vage erinnere, aber von ihren Erwachsenenromanen, in denen sie oftmals die Exilerfahrungen ihrer eigenen Familie thematisierte (Ibbotson floh 1934 als Kind zusammen mit ihrer Mutter, der österreichisch-jüdischen Schriftstellerin Anna Gmeyner, nach England), habe ich bisher noch keinen gelesen. Diese schöne Neuausgabe von einem ihrer bekanntesten Romane klingt nach einem guten Einstieg in diesen mir noch unbekannten Teil ihres Werks.
Josephine Tey, Wie ein Hauch im Wind. Ein Fall für Alan Grant 4 (Ü: Manfred Allié, Kampa OKTOPUS, 25.1.): In früheren Ausgaben dieses Newsletters habe ich schon über einige andere von Josephine Teys Krimis berichtet; ich freue mich sehr, dass der Kampa Verlag die Wiederentdeckung von Tey, die es mit den anderen Grand Dames der Detektivgeschichten wie Christie und Sayers durchaus aufnehmen kann, mit einem weiteren Band der Alan-Grant-Reihe fortsetzt.
Brigitte Reimann, Katja. Erzählungen über Frauen (Aufbau, 14.2.): Nachdem der Aufbau Verlag die DDR-Autorin Brigitte Reimann vor rund einem Jahr erfolgreich auf dem deutschen Buchmarkt reetabliert hat, folgt nun ein weiterer Band mit größtenteils unbekannten, da bisher noch nie in Buchform veröffentlichten Erzählungen von ihr, in denen Reimann "der Stellung der Frau in der Gesellschaft literarisch nachspüren" wollte. Ich bin wirklich sehr gespannt darauf!
Joy Williams, In der Gnade (Ü: Julia Wolf, dtv, 15.2.): Joy Williams ist in den USA seit Jahrzehnten bekannt, in Deutschland hat sie den Durchbruch erst letzets Jahr mit der Veröffentlichung einer Auswahl ihrer Erzählungen geschafft. Die kamen aber dafür gleich so gut an, dass jetzt auch noch ihr Debütroman aus dem Jahr 1973 übersetzt wurde — und das auch noch von der großartigen Julia Wolf!
Montserrat Roig, Die Frauen vom Café Nuria (Ü: Kirsten Brandt, Ursula Bachhausen, Kunstmann, 15.2.): Auf den Namen Montserrat Roig bin ich vor ein paar Jahren zufällig gestoßen, als ich mich mal etwas näher mit katalanischer Literatur beschäftigt habe. Damals hatte ich mir eine der wirklich schrecklich becoverten alten deutschen Ausgaben ihrer Bücher antiquarisch besorgt, aber dann doch nie gelesen — diese Neuausgabe vom Kunstmann Verlag macht mir jetzt nochmal ganz neue Lust darauf.
Maria Leitner, Hotel Amerika (Reclam, 16.2.): Ich freue mich über alle Neuausgaben im Rahmen der Reclam-Klassikerinnen-Reihe, aber über diesen Roman über die Angestellten in einem New Yorker Luxushotel in den späten 20er Jahren ganz besonders, denn meine liebe Freundin Kathi Prager hat ein sehr kluges Nachwort dazu geschrieben, in dem sie sich auf die Spuren der äußerst faszinierenden Autorin Maria Leitner begibt, deren Roman 1933 von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt wurde.
Regina Ullmann, Die Landstraße. Erzählungen (Nagel & Kimche, 20.2.): Ruth Klüger, die eines meiner großen Idole ist, hat Regina Ullmanns Erzählungen als "Prosagedichte einer ganz besonderen Art" bezeichnet, und weil ich Klügers Urteil quasi blind vertraue, bin ich sehr gespannt auf diese Neuauflage von elf Erzählungen einer "Literaturikone des 20. Jahrhunderts", von der ich bisher noch nie etwas gelesen und deren Namen ich nur ganz vage parat hatte.
Lalla Romano, Maria (Ü: Claudia Imig, Marix, 20.2.): Italien ist dieses Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse und es freut mich wirklich außerordentlich, dass sich das zahlreiche Verlage zum Anlass genommen haben, insbesondere die hierzulande unbekannten oder lange vergriffenen Werke italienischer AutorINNEN erstmals oder neu übersetzen zu lassen. Auf den erstmals 1953 erschienenen Debütroman von Lalla Romano bin ich besonders gespannt, er spielt im Piemont der 30er und 40er Jahre und erzählt "von der Beziehung zwischen zwei Frauen, die sich in Herkunft, Kultur und Lebensweise sehr voneinander unterscheiden: Maria, eine Bäuerin, und eine Lehrerin, Schriftstellerin und Malerin, in deren Haus Maria als Bedienstete arbeitet."
Grazia Deledda, Blicke der Liebe und des Neids (Ü: Monika Lustig, Marix, 20.2.): Auch von Grazia Deledda habe ich bisher noch nie etwas gelesen, dabei ist sie eine der nur 17 Frauen, die bisher mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurden. Der Marix Verlag nennt Blicke der Liebe und des Neids eine ihrer wohl schönsten Erzählungen, das dürfte also ein perfekter Einstieg in ihr Werk sein.
Margaret Drabble, Mühlstein (Ü: Irmela Erckenbrecht, Dörlemann, 22.2.): "Rosamunde macht sich nicht viel aus der Liebe. Die wohl einzige Jungfrau im London der Swinging Sixties hätte zwar mehr als genug Gelegenheiten für heiße Affären, sitzt aber lieber über den Büchern. Und ausgerechnet sie wird nach einem mäßigen One-Night-Stand schwanger. Im ersten Schreck versucht sie die Angelegenheit mit Gin und einem heißen Bad zu beenden. Doch alles geht schief, und der Abend endet in einem großen Besäufnis. Rosamunde schafft es nicht, sich gegen das Kind zu entscheiden. Na gut, dann zieht sie es eben allein auf. Auch wenn das Leben als ledige Mutter wohl nicht einfach werden wird." Ich habe mir schon lange vorgenommen, mal etwas von Drabble zu lesen, da kommt mir dieser Roman, den die Schriftstellerin Tessa Hadley mal als "wegweisenden feministischen Roman der 60er" bezeichnet hat, gerade recht.
Dacia Maraini, Tage im August (Ü: Ingrid Ickler, Folio, 23.2.): Seit ich vor ein paar Jahren spontan einen dünnen Band mit Kurzgeschichten von Dacia Maraini aus einem öffentlichen Bücherschrank mitgenommen habe, der mir sehr gut gefallen hat, nehme ich mir vor, auch ihre Romane zu lesen, dazu gekommen ist es aber bisher noch nie. Ihr Debütroman aus dem Jahr 1962, der jetzt in neuer Übersetzung erscheint, klingt, als wäre er genau die Art von düster-verstörendem Sommer-Coming-of-Age-Roman, wie ich sie seit Sagans Bonjour Tristesse so liebe.
Louisa May Alcott, Transzendentaler Wildhafer (Ü: Klaus Bonn, Limbus, 23.2.): Von Alcott habe ich, wie vermutlich die meisten, bisher nur Little Women gelesen, dabei hat sie daneben auch einerseits romantische Thriller und andererseits wohl ziemlich witzige Erzählungen für Erwachsene geschrieben, von denen einige in diesem Bändchen versammelt sind. Sie erzählt darin u.a. von ihrem Aufwachsen in einer transzendentalen Selbstversorger-Kommune, ihren Erlebnissen als Krankenschwester während der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs oder, in einer 1869 erschienenen Kurzgeschichte, von einer Gruppe junger Erwachsener, die während eines sommerlichen Picknicks mit dem Genuss von Haschisch in Berührung kommen.
Juliane Kay, Madame geht auf Reisen (Milena, 29.2.): Jedes Jahr auf Neue erwarte ich mit großer Vorfreude die Wiederentdeckungen österreichischer Autorinnen des 20. Jahrhunderts, die der Milena Verlag so regelmäßig ausgräbt. Diesmal freue ich mich u.a. auf die Geschichte einer fast vierzigjährigen Frau, die nach zwei gescheiterten Beziehungen (mit einem jungen und einem alten Mann, die beide Geld hatten) zunächst mittellos dasteht, dann jedoch überraschend 350.000 Mark im Lotto gewinnt, sich ein Auto kauft und zusammen mit einer Freundin Richtung Paris aufbricht…
Maria Peteani, Der Page vom Dalmasse Hotel (Milena, 29.2.): In diesem 1927 erstmals erschienen Roman gibt sich eine junge Frau als Mann aus, um einen Job als Liftboy in einem Berliner Nobelhotel zu ergattern. "Im geschlossenen Kosmos des Grandhotels kreuzen sich die Wege von Krisengewinnlern, Glücksrittern, sozialen Auf- und wirtschaftlichen Absteigern und des am Existenzminimum lebenden Personals." Ich bin gespannt, ob und welche Parallelen zu Vicki Baums Klassiker Menschen im Hotel oder auch zu Maria Leitners oben erwähntem Hotel Amerika sich darin finden werden.
Léonie d'Aunet, Reise einer Frau in die Arktis (Ü: Birgit Leib, Mare, 12.3.): Auch bei den Mare-Klassikern bin ich in jedem Programm aufs Neue gespannt, welchen spannenden Text die Lektor*innen diesmal für ihre wunderschön gestaltete Reihe ausgegraben haben. Auch dieses Frühjahr hört sich die Auswahl wieder sehr vielversprechend an: "1839 verspricht die gerade einmal 19-jährige Léonie d'Aunet bei einem Salongespräch in Paris, ihren nicht anwesenden Verlobten, den Maler François-Auguste Biard, von der Teilnahme an einer Forschungsreise in die Arktis zu überzeugen. Ihre Bedingung: Sie kommt mit, als einzige Frau unter der sonst männlichen Besatzung. Die Reise führt sie auf dem Land- und Seeweg von Paris an die norwegische Küste und weiter nach Spitzbergen, wo sie sich bitterster Kälte und größter Gefahr aussetzt, um Zauber und Schrecken des ewigen Eises zu erleben."
Edith Anderson, A Man’s Job (Ü: Max Schröder/Otto Wilck/Hans-Christian Oeser u.a., Die Andere Bibliothek, 14.3.): "Worauf beruht eigentlich die uralte Vorstellung von der Überlegenheit der Männer?, fragen sich die jungen Frauen hier am Bahnhof von Port Empire, New Jersey, USA. Anstelle ihrer abwesenden Männer, Brüder und Söhne sind sie es, die den Eisenbahnverkehr am Laufen halten. Argwöhnisch werden sie von den verbliebenen männlichen Kollegen empfangen. Ihnen werden die am schlechtesten bezahlten Fahrten angedreht und spezielle Dienstvorschriften aufgezwungen, die nichts als Schikane sind. Und dann werden die Schaffnerinnen auch noch gegeneinander ausgespielt." Von Edith Anderson, einer amerikaisch-jüdischen Autorin, die nach dem zweiten Weltkrieg ihrem deustchen Ehemann nach Ostberlin folgte, hatte ich ehrlich gesagt noch nie gehört, umso gespannter bin ich jetzt auf diese Entdeckung der Anderen Bibliothek.
Elsa Morante, La Storia (Ü: Maja Pflug/Claudia Ruschkowski, Wagenbach, 14.3.): Passend zum Italien-Schwerpunkt der Buchmesse erscheint einer der wichtigsten italienischen Romane des 20. jahrhudnerts endlich in einer neuen Übersetzung!
bell hooks, Erinnerungen an eine Kindheit (Ü: Marion Kraft, Elisabeth Sandmann Verlag, 18.3.): Die Sachbücher von bell hooks feiern in den letzten Jahren auch hierzulande große Erfolge, noch gespannter bin ich aber schon lange auf ihren autobiografischen Bericht über ihr Aufwachsen in den Südstaate der 50er Jahre: "Schon früh lernt bell hooks, welche Rolle Frauen und Männer in der Gesellschaft zu übernehmen haben und vor allem, wie emotional verletzlich Kinder sind. Sie wirft ein starkes Licht auf eine Gesellschaft, die die Freuden der Ehe für Männer sieht und alles verurteilt, was über das Schweigen von Frauen hinausgeht. Töchter und Väter sind Fremde unter einem Dach, und weinende Kinder bekommen jederzeit neuen Grund zum Weinen. bell hooks findet Trost in der Einsamkeit, gute Gesellschaft in Büchern. In dem reglosen Körper des Unverständnisses entdeckt sie, dass das Schreiben ihr wichtigster Atemzug ist."
Joanna Russ, In fernen Gefilden (Ü: Hannes Riffel/Erik Simon/Thomas Ziegler, Carcosa Verlag, 18.3.): Von Joanna Russ kenne ich bisher nurzwei Sachbücher, in denen sie aus feministischer Perspektive die Abwertung und Verdrängung von Schriftstellerinnen aus der Literaturgeschichte untersucht hat, habe mir aber schon lange vorgenommen, mich auch endlich mal an ihre Science-Fiction-Romane und -Erzählungen heranzuwagen. Die kleine Werkauswahl, die in diesem und kommenden Programmen in deutscher Neuübersetzung im Carcosa Verlag erscheinen soll, bietet mir da die perfekte Gelegenheit.
Rosemary Tonks, Der Köder (Ü: Eva Bonné, März Verlag, 20.3.): Ich habe die Wiederentdeckung von Rosemary Tonks im englischsprachigen Raum, die maßgeblich vom von mir sehr geschätzten Backlisted-Podcast mit beeinflusst war, schon länger mitverfolgt, bin aber bisher nicht dazu gekommen, diesen skurril klingenden Roman auch zu lesen — vielleicht bietet mir die deutsche Übersetzung, die in einer sehr coolen Schlangenlederoptik daherkommt, endlich die Gelegenheit dafür.
Sanora Babb, Namen unbekannt (Ü: Sabine Reinhardus, Reclam, 20.3.): Sanora Babbs Roman über eine vor Dürre und Armut fliehende Farmerfamilie im Südwesten der USA und das Schicksal der Wanderarbeiter hätte ursprünglich in den 30er Jahren erscheinen sollen, weil kurz vorher aber ein gewisser Steinbeck mit Früchte des Zorns einen Roman zum selben Thema veröffentlichte, der später zum weltweit bekannten Klassiker avancieren sollte, zog ihr Verleger sein Angebot kurzfristig zurück. Inzwischen weiß man, dass Steinbeck wohl sogar Notizen von Babb ohne deren Wissen für seinen Roman verwertet hatte. Erst 2004 wurde Babbs Roman schließlich in den USA veröffentlicht und jetzt endlich auch ins Deutsche übersetzt. Und dann hat auch noch die großartige Mareike Fallwickl ein sehr kluges nachwort dazu beigesteuert, wie könnte ich dieses Buch also nicht lesen wollen? (Mareike und ich und der Reclam Verlag haben uns außerdem zusammen etwas Besonderes zu diesem Roman überlegt, darüber demnächst mehr!)
G. E. Trevelyan, Appius und Virginia (Ü: Renate Haen, Manesse, 27.3.): Erinnert ihr euch noch an eine meiner frühen Newsletter-Ausgaben im April 2021, als ich euch von Gertrude Trevelyans sehr berührendem und gleichzeitig verstörendem Roman über eine einsame Frau, die in einem abgelegenen Haus auf dem Land ein Affenjunges wie ein menschliches Kind aufziehen will, vorgeschwärmt habe? Oder dem Insta-Livestream, in dem Nicole und ich einen Monat später ausführlich über das Buch (und viele andere Romane über einsame Frauen) gesprochen haben? Ich freue mich sehr, dass der Roman, der mich wirklich ganz außerordentlich begeistert hat, bald in einer deutschen Übersetzung im Manesse Verlag erscheinen wird.
Maria Messina, Das Haus in der Gasse (Ü: Ute Lipka, Friedenauer Presse, 28.3.): Noch eine italienische Wiederentdeckung, von einer Autorin, deren Name ich noch nie vorher gehört hatte. Dieser Roman, ein "klaustrophobisches Kammerspiel" über die Dreiecksbeziehung zwischen dem wortkargen und tyrannsichen Don Lucio Carmine, dessen Ehefrau Antonietta und deren jüngerer Schwester Nicolina, die nach der Geburt von Antoniettas erstem Kind bei dem Ehepaar einzieht, ist erstmals 1921 erschienen.
Zdena Salivarová, Ein Sommer in Prag (Ü: Sophia Marzolff, Mitteldeutscher Verlag, März 2024): Dieser Roman, der erstmals 1972 im kanadischen Exil erschien, gehört laut Verlag für viele Kritiker*innen "zum Besten, was in der tschechischen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde" und ist jetzt über 50 Jahre später erstmals ins Deutsche übersetzt worden: "Jana Honzlová, eine junge Sängerin in einem Folklore-Ensemble, darf nicht mit auf Tournee gehen, denn seit ihr Vater ins kapitalistische Ausland geflüchtet ist, gilt sie im kommunistischen System als politisch unzuverlässig. Stattdessen soll sie im Betriebsbüro die Stellung halten, wo sie ihr Leid mit der freundlichen Putzfrau teilt und heimlich internen Intrigen nachforscht. Aber auch ihre komplizierte Familiensituation hält die Ich-Erzählerin in Atem, die alles, was ihr widerfährt, mit Unverblümtheit und Straßenwitz schildert. Denn Jana Honzlová ist eine, die nicht so schnell aufgibt und sich ihre Chuzpe bewahrt. Umso erschütternder ist es für sie, als die Verhältnisse am Ende doch mächtiger erscheinen."
Sibilla Aleramo, Eine Frau (Ü: Ingrid Ickler, Eisele, 25.4.): Die letzte Italienerin auf meiner Liste der Neuübersetzungen — Sibilla Aleramos Text, der auf Deutsch seit Jahrzehnten vergriffen war und jetzt in neuer Übersetzung erscheint, gilt als erster feministischer Roman Italiens. Die Autorin erzählt darin autobiografisch davon, wie ihre Kindheit abrupt endet, "als sie sich mit siebzehn Jahren in einen Arbeiter aus der Glasfabrik ihres Vaters verliebt, ungeplant schwanger wird und heiraten muss. Plötzlich Mutter und Ehefrau, sieht sie sich gefangen in den patriarchalen Strukturen der damaligen Zeit – so wie ihre eigene Mutter und alle Frauen, die sie kennt. Doch statt sich den Erwartungen an ihre neue Rolle zu fügen, strebt sie nach Freiheit, Selbstbestimmung und einem Leben voller Bildung und Literatur."
Alice Ceresa, Der Tod des Vaters (Ü: Marie Glassl, Diaphanes, 30.4.): Auch von Alice Ceresa habe ich noch nie gehört, der Diaphanes Verlag hat aber in den letzten Jahren u.a. mit den Neuausgaben der Bücher von Anna Kavan bereits ein gutes Händchen bewiesen, weshalb ich ihnen auch in Bezug auf diese mir bisher unbekannte Autorin vertraue. "Die Publikation bildet den Auftakt für weitere Publikationen dieser unbedingt (wieder-)zuentdeckenden Autorin", schreibt der Verlag in der Vorschau, und das klingt für mich äußerst vielversprechend.
Fleur Jaeggy, Ich bin der Bruder von XX/Die seligen Jahre der Züchtigung/Die Angst vor dem Himmel (Ü: Barbara Schaden, Suhrkamp, 20.5.): Gleich drei Bücher auf einmal der italienischsprachigen Schweizer Autorin Fleur Jaeggy werden dieses Frühjahr bei Suhrkamp neu aufgelegt, und der Verlag kündigt schon an, dass Jaeggys weltweit gefeiertes Werk "fortan vollständig im Suhrkamp Verlag erscheinen" wird. Eine gute Nachricht, denn Die seligen Jahre der Züchtigung, einen Roman über die intensive Freundschaft zwischen zwei Mädchen in einem Appenzeller Internat in den 60er Jahren, habe ich vor einigen Jahren in der englischen Übersetzung gelesen und seither große Lust, auch den Rest von Jaeggys Schaffen kennenzulernen.
Erica Jong, Angst vorm Fliegen (Ü: Lilian Peter, Ecco, 21.5.): Über Erica Jongs seinerzeit skandalösen feministischen Klassiker habe ich schon viel gehört, konnte mich aber irgendwie bisher nie aufraffen, ihn zu lesen. Dass ausgerechnet Lilian Peter, die ich für ihre klugen und poetischen Essays (u.a. der Band Mutter geht aus bei Diaphanes) sehr schätze, nun die deutsche Neuausgabe übersetzt und ein Nachwort dazu verfasst hat, scheint mir ein Wink des Schicksals zu sein, dass es für mich jetzt höchste Zeit wird, mich endlich ranzuwagen an diesen Text: "Isadora Wing, eine jüdische Lyrikerin und Journalistin aus der Upper West Side von New York City, reist trotz ihrer Flugangst mit ihrem Mann nach Wien, um von der ersten Psychoanalytiker-Konferenz seit der Vertreibung der Analytiker während des Holocausts zu berichten. Doch als sie in Wien einen anderen Mann kennenlernt, wird es für sie auch zu einer sexuellen Reise."
Margaret Kennedy, Die englische Scheidung (Ü: Petra Post, Andrea von Struve, Schöffling, 23.5.): Margaret Kennedys bitterböse sommerliche Gesellschaftssatire Das Fest über ein englisches Hotel der Nachkriegszeit, dessen Bewohner*innen — zumindest teilweise — unter einer eingestürzten Steilklippe begraben werden, war eines meiner Urlaubshighlights letztes Jahr und ich bin seither ganz heiß darauf, noch mehr von ihr zu lesen. zum Glück liefert der Schöffling Verlag bald Nachschub.
Eve Babitz, Sex & Rage (Ü: Hanna Hesse, S. Fischer, 26.6.): Die englische Ausgabe von Babitz’ Kultklassiker über eine "Muse, die in den 1970er Jahren die Unverfrorenheit besitzt, selbst Künstlerin zu werden", steht seit Jahren ungelesen in meinem Regal, aber jetzt, wo der Roman bald auch auf Deutsch erscheint, werde ich ihn schleunigst nach ganz oben auf meinen Lesestapel befördern.
Octavia Butler, Xenogenesis (Ü: Barbara Heidkamp, Heyne, 10.7.): Octavia Butler ist eine der wichtigsten Sciene-Fiction-Autor*innen der amerikanischen Literaturgeschichte, ich nehme mir schon lange vor, sie endlich auch mal zu lesen und freue mich, dass Heyne in diesem dicken Sammelband gleich alle drei Romane (»Dämmerung«, »Rituale« und »Imago«) ihrer Xenogenesis-Trilogie, einem "hoffnungsvollen Gedankenexperiment zu Genderfragen", auf einmal neu herausbringt.
Und zu guter Letzt will ich euch natürlich noch die nächsten drei Titel der von Nicole Seifert und mir herausgegebenen Reihe rororo Entdeckungen ans Herz legen, die im Mai erscheinen werden. Ich liebe sie alle drei wirklich sehr und bin jetzt schon unglaublich gespannt, wie ihr sie finden werdet:
Laurie Colwin, Familienglück (Ü: Sabine Längsfeld, mit einem Nachwort von Nicole Seifert, rororo Entdeckungen, 14.5.):
Pollys Leben scheint in schönster Ordnung. Sie lebt in der Park Avenue mit ihrem gut aussehenden Anwaltsehemann Henry und hat zwei süße Kinder. Sie arbeitet in einem interessanten Job, der ihr Zeit lässt, sich um alle und alles zu kümmern. Nicht zuletzt darum, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen. Familie ist alles in Pollys Leben. Sie spürt jedoch die Risse in der perfekten Fassade. Der Vorzeige-Mann ist ständig abwesend, die Mutter überkritisch. Das Leben kommt ihr oft wie ein straff geschnürtes Korsett vor. Mit einer Ausnahme: Der Maler Lincoln, mit dem sie eine Affäre hat. Ihre Vorstellungen von sich und dem richtigen Leben bringt diese überraschende Liebe ganz schön durcheinander: Wie glücklich kann das Familienleben eine Frau machen? Und: Kann es überhaupt zu viel Glück geben?
Liesbet Dill, Tagebuch einer Mutter (mit einem Nachwort von mir, rororo Entdeckungen, 14.5.):
Oliva Nordeck lebt nach dem Kriegstod ihres Mannes nahezu mittellos und allein mit vier kleinen Kindern. Jahrelang schlägt sich die Familie mehr schlecht als recht in einer namenlos bleibenden mitteldeutschen Stadt durch, bevor sie schließlich ein kleines, baufälliges Häuschen am Stadtrand beziehen. Hier hat Oliva alle Hände voll zu tun mit den großen und kleinen Katastrophen des Alltags als alleinerziehende Mutter von vier äußerst lebhaften Teenagern, deren Eigenheiten und Bedürfnissen sie immer wieder mit großer Gelassenheit, Verständnis und Selbstaufopferung begegnet. Nur hier und da gelingt es ihr, ein paar Minuten Zeit für sich selbst zu stehlen, um auf ihrem geliebten Flügel zu spielen, Bücher zu lesen oder selbst kleine literarische Versuche zu unternehmen, die sie dann heimlich an Zeitungen verschickt. Und immer wieder gerät sie in Situationen, in denen sie die Möglichkeiten eigener Selbstverwirklichung gegen das Glück ihrer Kinder abwägen muss ...
Stella Benson, Zauberhafte Aussichten (Ü: Marie-Isabel Matthews-Schlinzig, mit einem Nachwort von mir, rororo Entdeckungen, 14.5.):
Stella Bensons fantastische Geschichte entführt in eine Welt, die im Schatten des Krieges liegt und in der eine junge Frau unter magischen und mysteriösen Umständen zu ihrer eigenen Identität findet.
Die junge Sarah Brown engagiert sich während des Ersten Weltkriegs für wohltätige Zwecke. Bei einer Komiteesitzung kommt es zu einer verhängnisvollen Begegnung – mit einer Hexe. Als diese sie einlädt, in ihrem geheimnisvollen Haus, dem «Haus Alleinleben» auf einer kleinen Insel auf der Themse, unterzuschlüpfen, begibt sich Sarah mit ihrem treuen Hund David auf das Abenteuer ihres Lebens.
Neu entdeckt für deutsche Leser:innen: ein tief beeindruckendes Werk der literarischen Moderne, mit Ironie und Scharfblick erzählt.
Das war’s für heute. Welche Bücher habe ich in meiner Aufzählung übersehen, worauf freut ihr euch in diesem Bücherfrühjahr ganz besonders? Über Feedback, Wünsche, Vorschläge und Anregungen jeder Art freue ich mich immer.
Den nächsten Newsletter werde ich voraussichtlich im März verschicken, oder wann immer ich ihn fertig habe. Bis dahin findet ihr mich mit buchnahem Content auf Instagram und neuerdings auch auf BlueSky.
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Ich wünsche euch einen guten Start ins neue Lesejahr, auf bald!
Eure Magda
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"Von Edith Anderson, einer amerikaisch-jüdischen Autorin, die nach dem ersten Weltkrieg ihrem deustchen Ehemann nach Ostberlin folgte"
Kleine Korrektur: Es handelt sich natürlich um die Zeit nach dem *Zweiten* Weltkrieg. Andersons Erinnerungen "Love in Exile" kann ich allen, die ein gewisses Interesse an den Anfangsjahren der DDR und der Ostberliner Literaturszene haben (der deutsche Ehemann arbeitet beim Aufbau-Verlag), wärmstens empfehlen.
wow! gratulation zum jury sein 💥👏 und danke für den newsletter und deine kostbare arbeit 😌