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Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Erst einmal wünsche ich Dir, Magda, gute Genesung!

Mit Spannung und froher Erwartung habe ich Band 4 begonnen zu lesen, doch bereits innerhalb der ersten 13 Seiten wird die gesamte Tragödie von Petras und Siverts Familie deutlich. Puh, diese Gefühllosigkeit oder besser gesagt, diese Dominanz negativer Gefühle.

Der Band startet mit einem Déja-Vu: Severins Schummelei /Schwindelei bezüglich einer korrekten Lateinübersetzung. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ denke ich, obwohl dies ein dämlicher Spruch ist. Auch bei Severin kommt die Scham durch, die seinen Vater im Leben begleitet. Trotzdem zieht er sein Vorhaben durch.

Auf die schlimmste von allen „schlimmen Szenen“, die ich bisher in „Hellemyr“ gelesen habe, stieß ich auf Seite 18. Puh - Severin wird zum Gehilfen seiner Mutter und verprügelt mit einem Stock seine Schwester Fie. All seine erlittenen Demütigungen lässt er an seiner Schwester aus - „ dessen Gesicht vor gieriger Grausamkeit strahlte“ . Ja, er reflektiert sein Verhalten immer wieder und weiß um sein Unrecht. Nichtsdestotrotz lässt er sich zu Untaten hinreißen und ich muss sagen, ich empfinde durchaus Mitleid mit ihm , empfinde auf der anderen Seite Abscheu vor ihm. Manchmal musste ich beim Lesen des Wochenabschnitts an den Film „Das weiße Band“ denken. Entsetzlich war auch die Szene, in der sich die Klasse gegen Severin zusammenrottet - hier blieb mir fast die Luft weg beim Lesen. Aus Mitleid wird er nun von Henrik zum Ball eingeladen. Genau wie sein Vater verfügt Severin über die Fähigkeit zu reflektieren und erkennt glasklar, dass es keine Freundschaft ist, die ihm die Einladung gebracht hat.

Wie ein roter Faden zieht sich auch dieses Mal das Ringen der Protagonist*innen um Anerkennung in der sogenannten besseren Gesellschaft durch den Roman: Beginnend bei Oline, die einer früheren Liebe nachtrauert; Sjur der ein kleines finanzielles Polster angespart hatte und es verliert; deren Kinder, die u.a. durch Heirat und Arbeit in der Stadt einen gewissen Wohlstand erringen wollen und schließlich Sivert, der am Ende doch zu scheitern scheint. Und nun Severin, der dem Fluch der Armut durch Bildung entrinnen will. Ich ahne jedoch bereits jetzt dessen Scheitern. Auf Seite 87 reflektiert Sivert in aller Deutlichkeit „Der große Fehler war wohl eher, das er versucht hatte, sich über seinen Stand zu erheben“ . Wie hellsichtig - aber für mich wird an dieser Stelle auch die Begrenztheit dieser Einsicht deutlich: Er schiebt alles auf sein Versagen. Aus meiner heutigen Position sehe ich ganz klar die Schuld auch in den gesellschaftlichen Verhältnissen begründet. Die so klar zu spürende Verzweiflung der Menschen nimmt mich sehr mit.

All die von Amalie Skram beschriebenen gesellschaftlichen Verhältnisse herrschten nicht nur in Norwegen und sie legten die Basis für Regime , die die Würde des Menschen mit Füßen treten. Da werden Untertanen herangezogen, die zu Erfüllungsgehilf*innen von Despot*innen werden.

Ich denke immer wieder darüber nach, wie es heute um Gleichberechtigung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten bestellt ist. Wir denken uns so gleich, aber die Schere zwischen Arm und Reich wird größer; auch die unterschiedlichen Kreise leben getrennt voneinander und verfügen über ihre eigenen Codes. Ich behaupte mal, Ausgrenzung und Mobbing wie dieses Klassentribunal gibt es immer noch.

Wie Magda überraschte mich die liebevolle Beziehung zwischen dem Konsul und Lydia!

Nun bin ich gespannt auf das Fortschreiten der Handlung.

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Mar 5, 2023·edited Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Ein Zoom- Treffen: Eine Idee, die mir sehr gefällt und die Einladung an Sebastian Guggolz eine wunderbare Zusatz-Idee. Gern auch Nora P. Ich lese eure Kommentare mit großer Neugier und Freude und füge hier nur hinzu: Severin und Fie mag ich auch richtig gerne und hoffe sehr auf ein mögliches Ausbrechen für die beiden. Der Konsul: Obwohl seine Ehe mit Lydia tatsächlich fast partnerschaftlich respektvoll zu sein scheint - ich trage ihm nach, wie er Petra 'gebraucht' (eigentlich missbraucht) hat. Vielleicht hätte sie ohne das eine ausgeglichenere Frau sein können (oder Amalie S hätte eine ausgeglichenere Figur aus ihr machen können, aber das hätte uns vllt die Realitäten von Zeit und Ort vorenthalten).

@Magda: hoffentlich bald wieder fit, herzliche Genesungswünsche und Dank schon mal fürs Zusammenbringen von lesenden und gelesenen Figuren;)

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Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Gute Besserung, Magda und vielen Dank, dass Du trotz Krankheit diesen tollen Lesekreis hier am Laufen hältst!

Ich hätte große Lust auf ein Zoom-Meeting am Ende des gemeinsamen Abenteuers. Schließlich werden wir hier ja noch einiges zusammen durchmachen müssen, schätze ich.

Die ersten Teil des 4. Bandes fand ich wegen der ungeheuren Trostlosigkeit wieder sehr verstörend. So viel Gewalt und so wenig Liebe und Verständnis.

Zum Glück waren die Kapitel sehr kurz und die Grausamkeiten zumindest schnell vorbei. Es war fast erleichternd, dass am Ende der Kapitel immer noch eine halbe leere Seite zum Luftholen übrig blieb und von dieser für mich eine gewisse Friedfertigkeit ausging, weil dort einfach kein Mensch einem anderen wehtun konnte.

Ich bin gespannt, ob wir Petras Perspektive noch einmal etwas näher kennenlernen. Mich würde interessieren, wie sie innerlich diese maximale Verbitterung erlebt.

Interessant finde ich Eure Gedanken zum Konsul. Ich habe es gar nicht so realisiert, wie freundlich und zugewandt er wurde. Vielleicht doch noch etwas Hoffnung, Trost und Zuversicht?

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Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Gute Besserung liebe Magda!

Diesen Teil fand ich sehr heftig und deprimierend zu lesen: Die Streitereien zwischen Petra und Sivert, die Gewalt und das Mobbing, das Severin in der Schule erlebt, wie er dann seine Schwester schlägt, die ausweglosen Geldsorgen von Sivert. Ich war dann richtig froh, wie sich die Handlung zum Konsul verlagert hat, und wir erst mal trautes Familienleben genießen konnten. Blöd nur, dass gerade 13 bei Tisch waren, und es einen Todesfall gab. Aber die Trauer war enden wollend und wahrscheinlich ist die Familie froh, dass sie die frömmelnde Frau Lind jetzt los ist (also ich werd sie nicht vermissen).

Bin gespannt, wie es mit Severin und Fie weitergeht. Die Kinder sind ja wirklich zu bedauern in dem Elternhaus. Und neugierig bin ich, ob es beim Konsul so friedlich weitergeht, oder ob da auch noch Abgründe auftauchen.

Die Idee mit dem Zoom-Abschlusstermin finde ich toll!

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Mar 5, 2023·edited Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Oh Sivert! Wie sehr potenzieren sich diese schrecklichen Geldprobleme jetzt, da er eine Familie hat, mitgehangen mitgefangen. Auch hier: 🫣 ich habe Katastrophenszenarien vor Augen. Sivert steht wirklich bei allen in der Kreide, wenn das Kartenhaus in sich zusammenfällt, dann ist er in der Stadt unbeliebter als seine Großeltern. Und dann wird er trinken, und dann wird er zur Säuferline!

Mal sehen, ob das tatsächlich so weitergeht.

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Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Ja, wir haben es alle vermutet, dass über der Ehe von Sivert und Petra kein guter Stern stehen kann. Beiden hätte ich die Hölle auf Erden dennoch nicht gewünscht. Aber es geht ja im 4. Band zuerst um die Kinder der beiden. Wir lernen Severin kennen, einen klugen Schüler, der unter den ärmlichen Verhältnissen zu Hause leidet. Wie schon etliche seiner Vorfahren schämt er sich für seine Herkunft. Was ihn wichtig ist, bespricht er mit seiner Schwester Sofie, genannt Fie.

Die Szene, in der er von der ganzen Klasse in die Turnhalle gesperrt und zu einer Prügelstrafe verurteilt wird, weil er gute Noten hat und sich mit den Lehrern versteht, war schwer erträglich. Es erschüttert mich besonders, wenn Kinder untereinander so grausam sind. Spät erst setzt sich Henrik, der Sohn des Konsuls Smith für ihn ein.

Der Ball, zu dem Severin und Fie nun im Haus von Lydia und dem Konsul eingeladen werden, zeigt zwar die Klassenunterschiede, aber gleichzeitig auch eine für die Pubertät typische Situation. Die Geschwister verlieben sich Hals über Kopf, Severin in Henriks Schwester Lina, Fie in einen Leutnant. Himmelhochjauzend, zu Tode betrübt, alle Extreme der Pubertät finden wir hier. Als Lina Severin am nächsten Tag im Kreis ihrer Freundinnen ignoriert, möchte er am liebsten sterben. Dem klugen und sensiblen Jungen wünsche ich schon jetzt ein besseres Schicksal als seinem Vater.

Fie hat in der Familie eine große Verantwortung. Sie muss sich um die Geschwister kümmern, v.a. um die kleinste Schwester, die noch ein Säugling ist. Nach einem Streit mit dem Vater bleicht die Mutter oft für mehrere Tage im Bett. Unerfahren lauscht sie den Komplimenten des Leutnants beim Tanzen, der ihre Schönheit lobt. Da sie zu Hause nie Anerkennung erfährt ist sie besonders empfänglich für seine schmeichelnden Wort. Ich möchte sie warnen, um ihr Leid zu ersparen und wünsche ihr ein besseres Schicksal als ihrer Mutter.

Auch die nächstjüngere Schwester Mathaea geht wie die Geschwister auf eine Privatschule. Als sie erfährt, dass die Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können, möchte sie aus Scham die Schule am liebsten verlassen.

Severin und Fie sind beide der Ansicht, dass ihr Vater das schwerere Los in der Ehe zu tragen hat. "Aber trotz allem ist Vater am meisten zu bedauern, findest du nicht" (S.70)? Unklar ist, wie genau sie über die riskanten Geschäfte des Vaters informiert sind. Zu Hause werden wir mit den Kindern Zeuge der traurigen Auseinandersetzungen zwischen Sivert und Petra.

Deutlich besser scheint es in der Ehe des Konsuls mit Lydia zu laufen, zumindest soweit wir bisher wissen. Sie scheinen einander liebevoll zugetan. Unter finanzieller Not leidet die Familie nicht. Lydia hat ihrem Mann nie von der Affäre (Vergewaltigung?) mit Sivert erzählt. Anders als Sivert, der Petra alles gebeichtet hat, sogar die furchtbare Szene mit seiner Großmutter. Ich fürchte schon jetzt, dass ihm das noch einmal zum Verhängnis wird. Denn am Ende des Abschnitts erfahren wir von ihm, dass er seine Ehe schrecklich bereut, dass er schon wieder Geld unterschlagen hat und ihm das Wasser bis zum Hals steht. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.

Für seine Generation habe ich die Hoffnung aufgegeben. Nun baue ich darauf, dass es Severin, Fie und den Geschwistern gelingen wird, aus den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen.

Dir Magda gute Besserung und schnelle Erholung!

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Mar 5, 2023Liked by Magda Birkmann

Dir Magda erstmal gute Besserung! 🍀

Ich bin nun ganz ausverschämt und überlege, ob Sebastian Guggolz nicht Lust hat (natürlich nur, wenn es seine Zeit erlaubt) bei dem Zoom dabei zu sein?! Und vielleicht Nora Pröfrock?! Beide sind ja auch auf Instagram unterwegs, vielleicht ist dann Instagram praktischer?

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