Jetzt haben wir schon 2/5 des Buches durch und ich muss sagen, ich komme immer besser in den Leseflow — wie geht es euch inzwischen mit der Lektüre?
Ich habe mir während dieser Etappe viele Notizen gemacht und Zitate herausgeschrieben, hier mal ein Teil meiner eher ungeodneten Gedanken:
In der Geschichte von den zwei zänkischen alten Frauen habe ich mir folgende Stelle markiert, weil sie eine Haltung beschreibt, die wir vermutlich alle kennen, selbst im Großen wie im Kleinen schon oft gefühlt haben, und die wir in Zeiten von Klimakrise, Krieg und wiedererstarkendem Faschismus und Rassismus doch irgendwie überwinden müssen, wenn wir diesen Dingen etwas entgegensetzen wollen:
"Aber Manchmal tun Leute nicht das, was besser oder was gut ist. Die Dinge laufen und sind, wie sie sind, und wer will das ändern? Das Rad dreht sich einfach weiter. Es ist schwer, immer alles im Blick zu haben. Und es ist schwer, sich in das einzumischen, was die Nachbarn machen." (S. 157)
In der nächsten Geschichte über den Krieg gegen die Schweineleute war ich erstmal überrascht über die unglaubliche Brutalität der Erzählung, in der sich Jugendliche wegen einer vergleichsweise harmlosen Streiterei zwischen benachbarten Gemeinschaften gegenseitig niedermetzeln und sogar die Köpfe abhacken. Gleichzeitig wurde der Krieg dabei als sehr ritualisiert beschrieben, am Ende wurde den Gegnern Respekt gezollt, das fand ich faszinierend und diese beiden Extreme in meinem Kopf erstmal nur schwer vereinbar.
In der letzten Etappe haben einige von uns sich ja gefragt, wann wir mehr über die “alte Zivilisation”, die den Kesh vorangegangen ist, über deren im Klappentext angekündigte "hochentwickelte Technologien” und über den Grund ihres Untergangs erfahren werden. Ein Teil unserer Neugier wurde in dieser Etappe prompt befriedigt:
"An dieser Stelle […] befänden sich unter dem Boot überall Gebäude auf dem Meeresgrund. In den alten Zeiten außerhalb der Welt sei das Tor weiter westlich und schmaler gewesen und sämtliche Ufer und Gegenden landeinwärts mit Häusern bebaut." (S. 176)
"Wir fuhren an einigen Felsen und Inseln vorbei, und als wir um die Mittagszeit an einer langen, flachen Insel entlangfuhren, sagten die Falarenleute 'Stadt'. Durch den Nebel konnten wir nicht viel mehr davon sehen als nackte Felsen und ein wenig Minze und Strandgras und ein paar hohe, schlanke, von Spannseilen gehaltene Türme oder Masten. Die Falarenleute riefen aufgeregt: 'Du berührst, du tot!' und mimten Stromschläge und Tod durche Ersticken oder Blitzschlag." (S. 177f.)
Ich habe versucht, die Karte, die an dieser Stelle im Buch abgedruckt war, mit einer aktuellen Karte Kaliforniens zu vergleichen und einzelne Orte aus der Zeit der Kesh bestimmten Orten unserer Zeit zuzuordnen, aber das ist gar nicht so einfach, weil sich durch die Überschwemmungen die Landschaft sehr geändert zu haben scheint.
Bei diesem Zitat auf Seite 181 habe ich mich gefragt, ob ein Teil des Unglücks, das zum Untergang der “alten Zivilisation” geführt hat, mit einer großflächigen radioaktiven Verseuchung zu tun hat:
“In ihrem Land gibt es einige stark verseuchte Gebiete, aber da es so trocken ist, bleiben die Stoffe im Boden, und sie wissen, welche Gegenden sie meiden müssen.”
Interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch die etwas später im Buch erfolgende Erklärung für den Ursprung des Mythos der “Rückwärtsköpfigen”, die vermutlich mit unserer eigenen menschlichen Generation gleichgesetzt werden können:
"Menschen hatten Unfälle, aber dafür, was sie taten, waren sie selbst verantwortlich. Das, was diese Menschen der Welt angetan hatten, mussten sie also vorsätzlich und bewusst in böser Absicht getan haben, um Irrtum, Angst und Gier zu befördern. Die Leute, die diese Dinge getan hatten, hatten bewusst falsch gehndelt. Die Köpfe saßen ihnen verkehrt herum auf den Schultern.” (S. 204)
Fasziniert war ich auch von der Beschreibung des großen Computernetzwerks, das sich auch zur Zeit der Kesh noch über das ganze Land entspannt — es scheint also nicht alle Hochtechnologie von vor der großen Katastrophe verloren gegangen zu sein.
Eines meiner Lieblingszitate in diesem Abschnitt war folgendes, bei dem ich mir ein großes Ausrufzeichen daneben gemalt habe:
"Duld ermahnte mich, dass es besser sei, sich in fremden Ländern nicht auf sexuelle Beziehungen mit Menschen einzulassen, bevor man sich mit ihren Sitten und Erwartungen in Bezug auf Bindungen, Ehe, Verhütung, Techniken und so weiter auskenne.” (S. 186)
Überhaupt finde ich die Beschreibungen der Ehe- und Sexualgewohnheiten der Kesh äußerst faszinierend, auch wenn ich sagen muss, dass mir am Ende der Etappe die lange Beschreibung des Mondtanz-Rituals etwas übel aufgestoßen ist. Das hat mich alles ein bisschen an die sexuelle Revolution der 68er erinnert, in der bei einer vermeintlichen Befreiung von rigider Sexualmoral am Ende doch vor allem die Frauen auf der Strecke blieben, wie wir heute wissen. Beim Mondtanz werden Frauen, die nicht mitmachen wollen, durch laute Rufe aus ihren Häusern gedrängt, Kleider werden ihnen einfach vom Leib gerissen, egal ob sie wollen oder nicht, es wird angedeutet, dass Frauen, die während dieser Mondtanznächte einmal mit einem Mann angebandelt haben, diesen auch zum Zug kommen lassen müssen und es sich besser nicht mehr anders überlegen sollten, usw. usf. Ging das nur mir so, oder haben da bei euch auch die Alarmglocken geschrillt?
Die Ausführungen über die Namensgebungskonventionen der Kesh dagegen fand ich wieder sehr faszinierend und aufschlussreich, und musste dabei über die folgenden zwei Bemerkungen sehr lachen:
"…aber ich fand 'Speer' ziemlich albern — er hätte sich genauso gut Großer Penis nennen und es damit gut sein lassen können.” (S. 226) und “Du nennst dich Aas, aber du benimmst dich wie ein Arsch.” (S. 231)
Auch Erzählsteins Geschichte ging in diesem Abschnitt spannend weiter, wir lernen mehr über die Unterschiede zwischen der patriarchalen Kultur und monotheistischen Religion der Kondorleute und der matrilinearen, viel freieren Gesellschaft der Kesh.
Besonders faszinierend fand ich in diesem Zusammenhang die Gegenüberstellung der sehr breiten Definition davon, wer alles zu den “Leuten” zählt, bei den Kesh (auch Tiere, Gräser, Felsen etc. sind "Leute") und der extrem engen Definition von “Menschen” bei den Kondorleuten, die Frauen, Kinder, und die sogenannten "Unreinen” nicht zu den Menschen zählen und vor allem Frauen auch keine Seele zugestehen.
Ich bin sehr gespannt, wie lange Nordeule es unter diesen unglaublich misogynen Bedingungen beim Volk ihres Vaters aushält und wohin ihr Weg sie im nächsten Abschnitt noch führen wird.
Jetzt interessieren mich aber erstmal alle eure Gedanken zu dieser zweiten Leseetappe!
Danke an alle, die Zitate gepostet haben! Es ist schön zu sehen, dass häufig die gleichen Stellen resonieren und man sie noch einmal ins Gedächtnis gerufen bekommt.
Insgesamt habe ich mich in diesem Leseabschnitt definitiv besser zurechtgefunden als im ersten, da ich das Gefühl hatte, dass die Landkarte, die im ersten Abschnitt fehlte, sich immer weiter füllt. Ich teile das Unbehagen was den Mondtanz angeht und finde die 68er Assoziation sehr treffend.
In diesem Leseabschnitt habe ich versucht etwas mehr auf die Übersetzung zu achten und mir gefällt wie die Übersetzenden mit dem Thema Genus umgehen. Es wirkt, als hätten sie es mit Bedacht getan. Ansonsten ist es schwer zu sagen, da ich die englische Ausgabe nicht zum Vergleich hier habe. Aber dass es sich bisher flüssig und stimmig liest, ist ein gutes Zeichen.
Wie viele andere hier fand ich die Beschreibung der Stadt des Geistes faszinierend. Mir schwirren dazu viele Gedanken im Kopf herum, aber mir fällt es schwer sie in Worte zu fassen. Ich glaube, ich werde es daher erst einmal dabei belassen und mich Carolins Post zu dem Thema anschließen, in dem sie viele Gedanken, die ich auch hatte, auf viel eloquentere Weise beschreibt. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob die Stadt später im Buch noch eine Rolle spielen wird.
Ebenfalls gut fand ich, dass trans Menschen erwähnt werden und es in der Gesellschaft der Kesh normal zu sein scheint, dass es trans Menschen gibt. Ich nehme an, das ist bei Büchern dieses Genres aus den 80ern nicht der Regelfall. In Anbetracht dessen habe ich mich allerdings gefragt, warum die Gesellschaft der Kesh (zumindest bis hierher im Buch) so heteronormativ ist.
In der aufgewühlten Pandora Passage gibt es eine Stelle, die mich beschäftigt hat: „Dir ist vielleicht aufgefallen, dass der wesentliche Unterschied zwischen uns und dem Tal, der große Unterschied, im Grunde etwas Keines ist. Sie sind nicht zu viele.“ und kurz vorher „wenn wir weiterhin 10 Kinder pro Sekunde in die Welt setzen“ (beide S. 188). Ich habe ein bisschen Angst, dass es auf das Konzept der Überbevölkerung hinausläuft. Da war mir irgendwie unwohl beim Lesen. Ging es anderen auch so? Bin ich da zu vorschnell mit der Interpretation?
Auf jeden Fall bin ich weiterhin gespannt, wie es weitergeht (insbesondere Erzählsteins Geschichte) und freue mich auf den Austausch zur nächsten Leseetappe!
Ich war ebenfalls überrascht über die Beiläufigkeit, besser noch Selbstverständlichkeit, mit der von „Frauen, die als Männer leben, und Männer, die als Frauen leben“ (S. 309) erzählt wird. Es mag vielleicht am verhältnismäßig geringen Anteil dieses Personenkreises an der Gesamtbevölkerung der Kesh liegen, dass ihre Gesellschaft heteronormativ erscheint, wobei ich grad keine Textstelle erinnere, in der eine Hierarchie zwischen den beiden Geschlechtern oder in dieser Thematik generell erkennbar wäre. Im Gegenteil dazu fiel mir die Erläuterung zu den Besonderheiten des Mondtanzes auf, dass es dabei um die Verkehrung eigentlich gültiger Gesetzmäßigkeiten gehe, um Sex ohne Verantwortung, Ehe, Kinder: „Wenn eine Frau während des Mondtanzes schwanger wird, treibt sie den Fötus üblicherweise ab; wenn sie das Kind austrägt, tut sie es, weil es Absicht war, weil sie ein Kind ohne Vater wollte, ein Mondkind.“ (S. 308) Das lässt auf eine recht tolerante Gesellschaft schließen, wie ich finde.
LeGuin catched mich mit ihrer Schnitzeljagd aus Hinweisen, Andeutungen: wenn sie Pandora über die Straucheichen sinnieren lässt (Chaostheorie), über das Chaos des Lebensraumes der Straucheichen, über das Chaos der Wildnis, darüber, wie herzlich bedeutungslos für die (möglicherweise absichtslose) Schöpfung deren Einordnung und Bewertung durch uns Menschen ist: „Dieser Strauch ist nicht schön und (…) auch nicht scheußlich; sollte ein Philosoph ihn so empfinden, wäre das sein Problem, hätte aber nichts mit der Straucheiche zu tun.“ (S. 307) Und wenn Pandora mit ihrer Schuld hadert - ich dachte bei diesem Kapitel weniger an die Debatte über Überbevölkerung, sondern vielmehr an die Unfähigkeit der Menschen, Pandoras Fluch zurück in ihre Büchse zu zwingen: wir leben im Jahr 2024 und Kriege, Hungersnöte, Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit, Habgier und Rücksichtslosigkeit bestimmen noch immer die Verhältnisse auf dieser wunderschönen Welt. Weil wir es so entscheiden. Wir haben den freien Willen, wir haben Zeit („sie ist ein Geschenk der Geburt.“ S. 188), wir haben das Jetzt, und in jedem Jetzt-Moment können wir uns für das Leben, die Hoffnung, das Paradies auf Erden entscheiden: „Zeit zur Vorausschau, gewiss; Zeit zur Rückschau; und Raum, Raum genug zur Umschau.“ „Nimm dir Zeit. Jetzt.“ S. 189
„Der Schatten wird dann auf dem dick und chaotisch mit totem Laub bedeckten Boden oder dem bemoosten Stein liegen, auf dem jetzt mein Hintern hockt, und sich gesetzmäßig und würdevoll mit der Drehung der Erde weiterbewegen. Der Verstand kann sich den Schatten vorstellen, den ein paar fallende Blätter in der Wildnis werfen; der Verstand ist etwas Wunderbares. Aber was ist mit all den Schatten all der anderen Blätter an allen anderen Straucheichen auf allen anderen Höhenzügen der ganzen Wildnis? Wenn du sie dir auch nur einen Moment lang vorstellen könntest, was wäre gewonnen? Unendlich viel.“ S. 307
Wieder viele Zitate, aber ich konnte nicht anders, sorry.
Wahrscheinlich interpretiere ich zu viel hinein, es ist auch schon spät.
Ich habe endlich geschafft bis hierhin zu lesen und muss sagen, dass ich diese Pandora-Episode ganz, ganz großartig und sehr erhellend fand. Ich dachte ein paarmal, ich wünschte, dass in dem ganzen Diskurs um Nature Writing genau dieser Text referenziert würde. Ich finde diesen Zugang zur wilden und ungeordneten, per Definition chaotischen Natur total spannend, und die Schlussfolgerung mit dem Schatten, der nicht auf dem Papier verbleibt, sondern weiterzieht, "lawfully and with great majesty", einen absolut schlüssigen Bogen zu den Versuchen, Natur durch poetische und künstlerische Mimesis abzubilden. Bin eh Pandora-Fan, aber das ist bislang eine meiner liebsten Passagen im ganzen Buch, und es gibt darin so viele fantastische Erzählungen.
Danke für die Blumen. Ich hänge an dem Überbevölkerungs-/Verhütungsthema ebenfalls fest, habe mir vorgenommen mal zu recherchieren (außer jemand von euch weiß es ;-) wie es mit Familienplanung in indigenen Kulturen aussieht. Vermutlich ist auch hier die industrialisierte westliche Welt nicht die Speerspitze der Zivilisation, wo Frauen zum Ende des 19. Jahrhunderts regelhaft Kinder „am laufenden Band“ bekamen, die kaum ernährt werden konnten, zu Auswanderungswellen führten und damit wiederum indigene Kulturen verdrängten. Beschäftigt mich.
Oberflächlich gelesen könnte man diesen Roman als Fleißarbeit einer fantasiebegabten, beinah "spinnerten" Autorin einordnen, wäre das Werk nicht durchzogen von Querverweisen auf Religion, Philosophie, Mythologie, Weltanschauungen unserer Kultur - wohl der Kultur der Menschen "zur Zeit außerhalb" oder "als sie außerhalb der Welt lebten", S.196:
gleich zu Beginn in der "Anmerkung vorweg" wird das chinesische Daodejing mit seiner humanistischen Botschaft und dem angestrebten Ziel des Weltfriedens erwähnt.
Immer wieder taucht das "Jetzt" in den Überlegungen auf, quasi die Grenze zwischen Vergangenem und Zukünftigem, die beides gleichzeitig trennt und zusammenhält.
Später stößt man auf Erzählsteins recht anschauliche Beschreibung der Intoleranz und Ausgrenzung mit entsprechenden, ausgefeilten Kriegstechniken zur Betonung und zum Erhalt der eigenen Überlegenheit, die die Überheblichkeit einer monotheistischen Gesellschaft (Kondorleute) mit sich bringt.
Dann wiederum der Pantheismus der Kesh, deren Zusammenleben auf "unhinterfragtem tribalem Allgemeinwissen" basiert und von intuitiven, sinnenfrohen Ritualen geprägt, ja bestimmt ist: Wein- und Tabakkonsum, Tänze und Gesänge bis zur Ekstase, Glücksspiel, aber auch blutige Opferrituale, über deren Zeremonie nichts preisgegeben werden dürfe, weil sie heilig und ein Mysterium sei, (S.237). Ich finde darum auch die Erzählung der Mondtänze stimmig, da von Einvernehmlichkeit und Absprache, von Regeln und klar definierten Grenzen und Abläufen die Rede ist, gewisse Altersgruppen und Personenkreise, für die das Ritual nicht gedacht ist, fernbleiben sollen und wollen. "Es ist leicht zu sagen, dass solche Bräuche barbarisch seien, aber was heißt das schon?" S.249
Was mich ebenfalls beeindruckt ist die Vorstellung der Zeit als Raum, als Haus: "Er verräumlicht die Zeit; sie ist kein Pfeil, kein Fluss, sondern ein Haus, das Haus, das er bewohnt(...)", S. 220. Dass die Kesh diese Dimension für sich erschlossen haben werden, hilft Textpassagen zu deuten wie jene auf S. 173: "Doch dann sah eine Frau, die auf einer Wiese namens Chumo Schafe hütete, viele der alten Leute tanzen, die in Berred gelebt hatten und gestorben waren. Sie kamen frühmorgens vor Sonnenaufgang dorthin, um zu tanzen".
Dazu passt auch die Überzeugung, dass erst alles einen Abschluss braucht, damit es einen Neuanfang geben kann: S.205: "Wie kann es nur ein einziges Mal angefangen haben? Das geht gegen den Sinn. Die Dinge müssen geendet und wieder angefangen haben, damit es weitergehen kann, so wie die Leute leben und sterben, alle Leute, auch die Sterne." S.172: "Einigen gefiel das nicht, weil (...) sie die Rückkehr zum Alten als schlechten Neuanfang empfanden." Interessanterweise formuliert auch Erzählstein eine persönliche Erfahrung mit den vergleichbaren Worten: "Da ich keine vollständige Person war, konnte ich auch keine andere werden." S. 248
Sowie die Sterbeanleitung auf den Seiten 114-115: Westwärts zum Sonnenaufgang
Ich mag die Gedichte, sie erinnern mich an die von mir sehr geschätzten japanischen Tanka und Haiku, die in kurzen, in der Regel reimfreien Versen Naturwahrnehmungen zum Thema haben, die wiederum die emotionale Verfassung des Poeten widerspiegeln.
Pandora Hoffnungsträgerin könnte die Dea ex Machina in diesem Epos sein. Mal schauen.
Ich beschäftige mich gerne weiter mit LeGuins Welt und lasse mich überraschen.
Liebe Grüße, habt einen guten Start in die Fastenzeit - Claudia
„In der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix.“
Mein Fazit: Ich lese das Buch mit einer gewissen Faszination, aber ein Lesefluss ist noch nicht entstanden. Gespannt bin ich total auf die weitere Entwicklung von Nordeule und Vieles an „theoretischem“ Hintergrund erinnert mich an Szenen aus dem Alten Testament.
Vielen Dank , liebe Magda, für Deine Gedanken zur Leseetappe. Ich bin überrascht, dass sie fast deckungsgleich mit meinen sind. Mich beschäftig(t)en insbesondere zwei Gedanken in dieser Etappe: die Rolle der Frauen. Dieses Mondtanz- Ritual hat mir beim Lesen den Atem verschlagen. Es klingt alles nach einer befreiten Sexualität, was sie jedoch v.a. für die Männer ist. Nicht nur die 68er, auch die MeToo - Debatte passt dazu, wenn ich die Argumente der Männer höre über das vermeintliche Einverständnis der Frauen.
Die frauenfeindliche Welt der Kondorleute wird beeindruckend dargestellt, wobei ich denke, es gibt diese in der realen Welt immer noch. Das Erstarken der Rechten und Autoritären hängt m.E. auch mit dem Ringen vieler Männer um die Vormachtstellung zusammen, denn in der Regel ist deren Plan, die Rechte der Frauen massiv zu beschneiden. Darüber können auch die in dieser Bewegung aktiven Frauen nicht hinwegtäuschen . Nicht nur Frauenfeindlichkeiten fallen mir in dem Zusammenhang auf, sondern auch Rassismus. Das wird deutlich in der beschriebenen Ausgrenzung fremder Menschen. Ich frage mich ebenfalls, wie lange es Nordeule, die ihren Vater ja freiwillig in sein Land begleitet wird. Als ausgezeichnete Beobachterin ihrer Umgebung hat sie au dem Weg dahin schon die Reise durch unterdrückten Länder und der Angst der Bewohner*innen beschrieben. Damit komme ich zu meinem zweiten Gedanken. Diese junge Frau ist eine Suchende, der es an Wurzeln fehlt, was mir an der folgenden Stelle auf S. 227 bewusst wurde „Doch ich ging in Unwissenheit, und es war die Güte des Löwen, die Barmherzigkeit des Bussards, die mich auf dem Weg hielt. In meinem Zuhause lag vieles im Argen, und meine Leute sorgten nicht dafür, dass ich eine ordentliche Ausbildung erhielt.“ Mich stimmte diese Stelle traurig. Im weiteren Text analysiert Nordeule die Schwiergkeiten ihrer Großmutter und Mutter mit sich und dem Leben, wodurch ihnen die Kraft fehlte, sich um Nordeule entsprechend zu kümmern und auch ihre eigene Verweigerungshaltung. Kein Wunder, dass sie enthusiastisch mit ihrem Vater zieht. Schon wieder finde ich diese Situation aus dem Buch in unserer Gesellschaft wieder. Die Erkenntnis, dass Kinder und Jugendliche Zeit und eine reich ausgestattete Umgebung benötigen wird leider nicht umgesetzt. In meinen jungen Jahren hieß es „ in de4 Rüstung
Ja, Nordeules Geschichte ist wirklich auch ziemlich tragisch, es fehlt ihr eindeutig am nötigen Halt und unterstützung aus ihrem Umfeld, und auch die Keshgesellschaft ist womöglich, wenn man ganz genau hinschaut, gar nicht sooo frei und utopisch, wie es vielleicht auf den ersten Blick wirken mag. Da ist es kein Wunder, dass Nordeule sich trotz aller Alarmglocken, die bei uns Leserinnen im Bericht über die Kondorgesellschaft sofort losschrillen, erstmal zu dieser für sie ganz neuen Welt und Gesellschaftsordnung hingezogen fühlt, das scheint mir ein sehr wichtiger Schritt auf ihrer Identitätssuche zu sein. Bleibt zu hoffen, dass sie es schafft, beide ihre Herkunftsteile irgendwie auf gesunde Art miteinander in Einklang zu bringen.
Kann mich den positiven Eindrücken nur anschließen. Ich war auch beim zweiten Abschnitt wieder mit Neugier und Faszination dabei und bin gespannt, wie sich die Welt immer weiter aufblättert. Tatsächlich erscheint mir die Welt manchmal wie eine Verbindung aus historischem Roman und einer Utopie. Eine komplett neue Leseerfahrung! Neben Nordeules Bericht fand ich die Kriegsbeschreibung gegen die Schweineleute, das Kapitel „Stadt und Zeit“ mit der Unterscheidung von der Stadt des Geistes und der Stadt des Menschen, die Passage zu Menschenleuten auf S. 220-221, das Theater bzw. dass die Bühne so aufgeteilt ist, wie die Welt, mit Spirale und Scharnier, sehr interessant. Freue mich also schon auf den nächsten Abschnitt.
Ja, das ist eine total faszinierende Mischung, dass sich vieles irgendwie so liest, als wären es historisch-archäologische Beobachtungen, aber es spielt eben alles in der fernen Zukunft.
Vllt war ich auch zu ungeduldig & hätte einfach bis zur 2. Etappe warten sollen, bevor ich leise Kritik übe, wo denn die Infos über alte Zivilisation bleiben 😅
Die Stadt sieht in meinem Kopf ein wenig wie bei The Last of Us 2 aus.
Bei den verseuchten Gebieten musste ich neben radioaktive Stoffe, auch an ausufernde (industrielle) Landwirtschaft gepaart mit Klimawandel denken: der Boden & das Grundwasser wurden stark verseucht & der ausbleibende Regen schafft folglich keine Abhilfe. Das würd für mich auch ins Bild passen, dass die »Rückwärtsköpfigen«, sich selber ins Unglück reiten. (Egal ob Atommüll/-krieg oder Klimawandel, beides scheint im Moment plausibel zu sein, in das wir uns hineinreiten werden… Spaß 😑)
Mich hat die Erzählsteingeschichte wieder sehr gepackt. Und an diese beiden Stellen denk ich immer noch:
»Ich habe oft an diese Zeit gedacht, als wir auf der Terrasse am Dutthügel saßen, und zu erstehen versucht, warum wir so redeten und uns so verhielten, wie wir es taten. Wir waren beide krank, und unsere Krankheiten sprachen zueinander. Wir schienen frei zu entscheiden, aber wir waren Getriebene. Ich klammerte mich an ihn, doch ich war die Stärkere von uns beiden.« (S.240/1)
»Wie ich sie schildere, klingt diese Weltanschauung närrisch. Das liegt an mir, meiner Stimme; ich bin die Närrin, denn ich kann nichts für die Verkehrungen. Der Dayao-Weg war ohne Clowns oder Clownerie, ohne Verkehrung oder Wendung, gerade, einfach, schrecklich.« (S.260)
Die Geschichte »Die Probleme mit den Bauwollleuten« gefiel mir auch gut.
Ich fand es witzig, dass es Menschen gibt, die sich durch die Datenbanken wühlen & eigentlich sollte man meinen, dass sie durch den Zugang zu so vielen Daten, die klügsten Menschen im Dorf sind, but nope, nicht wirklich.
Es fühlt sich wie ein Treppenwitz der Gesichte an, dass die »Rückwärtsgewanten« es geschafft haben das Datensystem (die Computer) so autark zu gestallten, dass es sie überlebt & wahrscheinlich auch mit der Hoffnung, dass es »in der Zukunft irgendwem nach einer Katastrophe helfen wird klarzukommen.« 🙃
Die Mondtanznächte waren auch eher cringe als wirklich gelebte sexuelle Freiheit.
Pandora kann ich ebenfalls schlecht einordnen, sehen diesen Passagen aber immer gerne entgegen. Vllt sollte ich mal 1-2 hintereinander lesen, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen 🤔
„Sie küssten mit offenem Mund“ da war das mit der Enthaltsamkeit schwierig.... hahaha - die Sexszenen sind jetzt aber auch nicht meine liebsten Stellen
Ich zucke jedesmal innerlich zusammen, wenn im Text wieder das Wort "ficken" vorkommt haha.
Allerdings habe ich sehr gelacht bei dem einen Tabetupah-Sketch, wo die Frau beim Pinkeln den Mann mit dem großen Penis sieht und einen anzüglichen Witz macht. Das macht die Kesh, trotz Cringe-Faktor, irgendwie sympathisch und glaubhaft als Kultur, dass sie eben auch versaute Sketche und Lieder mögen, wie wir heutigen Menschen ja auch oft.
Ich bin leider so stark hinterher mit der Lektüre, dass ich nur hoffen kann, Euch irgendwann wieder einzuholen und nachträglich alles hier zu lesen und kommentieren. Es ist so ein großartiges Buch, das mich auch viel über das (und auch mein eigenes) Schreiben und Erzählen nachdenken lässt. Aber ich komme nur langsam voran, vielleicht genau deswegen. Freue mich auf die kommenden Kapitel und Geschichten!
Die Beschreibung der Stadt des Geistes hat mich umgehauen. Le Guin schreibt das 1985! Und nimmt eine autonome agierende Maschinenwelt vorweg, die sich komplett vom biologischen Leben abgespalten hat, also den Punkt der Singularität überwunden hat. Trotzdem scheint mir diese Wesensform - so technisch und seelenlos sie auch beschrieben wird - einen fast liebevollen Umgang mit den Menschen zu pflegen. Sie stellen die Börsen zur Verfügung. Sie digitalisieren kulturelles Erbe (auch wenn die Menschen im Tal das nicht sehr wertzuschätzen scheinen). Sie liefern jede angefragte Information ohne Einschränkung (man könnte auch sagen, ohne Verantwortung zu übernehmen - ethische Fragen spielen für den Austausch keine Rolle). Ich musste an das Gedicht von Richard Brautigan denken:
Wir alle behütet von Maschinen voll liebender Gnade
Das ging mir auch so, 1985 - vor 40 Jahren - geschrieben. Mit den Maschinen kann ich mir aber kein Zusammenleben vorstellen, bevorzuge die echte Wiese . 🤗
Wow, irgendwie habe ich beim Lesen der Beschreibung der Stadt des Geistes komplett vergessen, dass der Text ja aus den 80ern stammt und Le Guin damals also noch weitaus spekulativer (und weitsichtiger) unterwegs war als jemand, der so einen Text in der heutigen Zeit mit all ihren rasanten Entwicklungen in Sachen AI etc. schreiben würde. Danke auch für das Gedicht, das ich noch nicht kannte!
Ich war sehr glücklich, dass wir hier einiges über die alte Zivilisation erfahren haben - in der ich das Schlechteste unserer Welt wiedererkenne. Irgendwie ist das noch eine umgekehrte Form der Archäologie, im Text unsere Welt wiederzufinden - hinter der Katastrophe, die unsere Welten wie ein Scharnier trennt.
Die Figur der Pandora beschäftigt mich - einerseits halte ich sie einfach für das Alter Ego der Autorin, die Erzählerin. Andererseits frage ich mich, wieso so eine symbolhafte Figur gewählt wurde, explizit mit ihrem griechischen Sagen-Hintergrund als Unheilbringerin. Sie fragt sich hier selbst (S. 188) ob sie die Auslöserin der Katastrophe war, die die Zivilisation gebracht hat. Vielleicht weil die antiken Griechen als Wiege unserer westlichen Zivilisation gelten - die sich in der Folge, wie hier ja auch steht, mit Kriegen, Kolonialismus und Verbrechen am Rest der Menschheit schuldig gemacht hat? Pandora scheint mir hier jedenfalls sehr aus ihrer Rolle als „nüchterne“ Beobachterin zu fallen (vgl. S. 128). Die Verortung ihrer Textstellen in Raum und Zeit ist schwierig, oder?
Ja, ich schwanke auch die ganze Zeit in meiner Interpretation der Pandora-Passagen!
Sehr treffend, was du über die uns von der Zukuftswelt trennenden Katastrophe als "Scharnier" schreibst, die ganze Scharnier-Symbolik des "heyiya", die uns in den Texten ständig und auf die utnerschiedlichsten Arten begegnet, finde ich eh total faszinierend.
Ich hänge nach einer Woche in Berlin bei den Kindern und wegen des Karnevals im Rheinland leider zurück. Hoffentlich kann ich in den kommenden Tagen die Lektüre nachholen. Klingt jedenfalls nach wie vor spannend. Karnevalistische Grüße aus Bonn! Susanne
Danke an alle, die Zitate gepostet haben! Es ist schön zu sehen, dass häufig die gleichen Stellen resonieren und man sie noch einmal ins Gedächtnis gerufen bekommt.
Insgesamt habe ich mich in diesem Leseabschnitt definitiv besser zurechtgefunden als im ersten, da ich das Gefühl hatte, dass die Landkarte, die im ersten Abschnitt fehlte, sich immer weiter füllt. Ich teile das Unbehagen was den Mondtanz angeht und finde die 68er Assoziation sehr treffend.
In diesem Leseabschnitt habe ich versucht etwas mehr auf die Übersetzung zu achten und mir gefällt wie die Übersetzenden mit dem Thema Genus umgehen. Es wirkt, als hätten sie es mit Bedacht getan. Ansonsten ist es schwer zu sagen, da ich die englische Ausgabe nicht zum Vergleich hier habe. Aber dass es sich bisher flüssig und stimmig liest, ist ein gutes Zeichen.
Wie viele andere hier fand ich die Beschreibung der Stadt des Geistes faszinierend. Mir schwirren dazu viele Gedanken im Kopf herum, aber mir fällt es schwer sie in Worte zu fassen. Ich glaube, ich werde es daher erst einmal dabei belassen und mich Carolins Post zu dem Thema anschließen, in dem sie viele Gedanken, die ich auch hatte, auf viel eloquentere Weise beschreibt. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob die Stadt später im Buch noch eine Rolle spielen wird.
Ebenfalls gut fand ich, dass trans Menschen erwähnt werden und es in der Gesellschaft der Kesh normal zu sein scheint, dass es trans Menschen gibt. Ich nehme an, das ist bei Büchern dieses Genres aus den 80ern nicht der Regelfall. In Anbetracht dessen habe ich mich allerdings gefragt, warum die Gesellschaft der Kesh (zumindest bis hierher im Buch) so heteronormativ ist.
In der aufgewühlten Pandora Passage gibt es eine Stelle, die mich beschäftigt hat: „Dir ist vielleicht aufgefallen, dass der wesentliche Unterschied zwischen uns und dem Tal, der große Unterschied, im Grunde etwas Keines ist. Sie sind nicht zu viele.“ und kurz vorher „wenn wir weiterhin 10 Kinder pro Sekunde in die Welt setzen“ (beide S. 188). Ich habe ein bisschen Angst, dass es auf das Konzept der Überbevölkerung hinausläuft. Da war mir irgendwie unwohl beim Lesen. Ging es anderen auch so? Bin ich da zu vorschnell mit der Interpretation?
Auf jeden Fall bin ich weiterhin gespannt, wie es weitergeht (insbesondere Erzählsteins Geschichte) und freue mich auf den Austausch zur nächsten Leseetappe!
Ich war ebenfalls überrascht über die Beiläufigkeit, besser noch Selbstverständlichkeit, mit der von „Frauen, die als Männer leben, und Männer, die als Frauen leben“ (S. 309) erzählt wird. Es mag vielleicht am verhältnismäßig geringen Anteil dieses Personenkreises an der Gesamtbevölkerung der Kesh liegen, dass ihre Gesellschaft heteronormativ erscheint, wobei ich grad keine Textstelle erinnere, in der eine Hierarchie zwischen den beiden Geschlechtern oder in dieser Thematik generell erkennbar wäre. Im Gegenteil dazu fiel mir die Erläuterung zu den Besonderheiten des Mondtanzes auf, dass es dabei um die Verkehrung eigentlich gültiger Gesetzmäßigkeiten gehe, um Sex ohne Verantwortung, Ehe, Kinder: „Wenn eine Frau während des Mondtanzes schwanger wird, treibt sie den Fötus üblicherweise ab; wenn sie das Kind austrägt, tut sie es, weil es Absicht war, weil sie ein Kind ohne Vater wollte, ein Mondkind.“ (S. 308) Das lässt auf eine recht tolerante Gesellschaft schließen, wie ich finde.
LeGuin catched mich mit ihrer Schnitzeljagd aus Hinweisen, Andeutungen: wenn sie Pandora über die Straucheichen sinnieren lässt (Chaostheorie), über das Chaos des Lebensraumes der Straucheichen, über das Chaos der Wildnis, darüber, wie herzlich bedeutungslos für die (möglicherweise absichtslose) Schöpfung deren Einordnung und Bewertung durch uns Menschen ist: „Dieser Strauch ist nicht schön und (…) auch nicht scheußlich; sollte ein Philosoph ihn so empfinden, wäre das sein Problem, hätte aber nichts mit der Straucheiche zu tun.“ (S. 307) Und wenn Pandora mit ihrer Schuld hadert - ich dachte bei diesem Kapitel weniger an die Debatte über Überbevölkerung, sondern vielmehr an die Unfähigkeit der Menschen, Pandoras Fluch zurück in ihre Büchse zu zwingen: wir leben im Jahr 2024 und Kriege, Hungersnöte, Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit, Habgier und Rücksichtslosigkeit bestimmen noch immer die Verhältnisse auf dieser wunderschönen Welt. Weil wir es so entscheiden. Wir haben den freien Willen, wir haben Zeit („sie ist ein Geschenk der Geburt.“ S. 188), wir haben das Jetzt, und in jedem Jetzt-Moment können wir uns für das Leben, die Hoffnung, das Paradies auf Erden entscheiden: „Zeit zur Vorausschau, gewiss; Zeit zur Rückschau; und Raum, Raum genug zur Umschau.“ „Nimm dir Zeit. Jetzt.“ S. 189
„Der Schatten wird dann auf dem dick und chaotisch mit totem Laub bedeckten Boden oder dem bemoosten Stein liegen, auf dem jetzt mein Hintern hockt, und sich gesetzmäßig und würdevoll mit der Drehung der Erde weiterbewegen. Der Verstand kann sich den Schatten vorstellen, den ein paar fallende Blätter in der Wildnis werfen; der Verstand ist etwas Wunderbares. Aber was ist mit all den Schatten all der anderen Blätter an allen anderen Straucheichen auf allen anderen Höhenzügen der ganzen Wildnis? Wenn du sie dir auch nur einen Moment lang vorstellen könntest, was wäre gewonnen? Unendlich viel.“ S. 307
Wieder viele Zitate, aber ich konnte nicht anders, sorry.
Wahrscheinlich interpretiere ich zu viel hinein, es ist auch schon spät.
Gute Nacht! ;-)
Ich habe endlich geschafft bis hierhin zu lesen und muss sagen, dass ich diese Pandora-Episode ganz, ganz großartig und sehr erhellend fand. Ich dachte ein paarmal, ich wünschte, dass in dem ganzen Diskurs um Nature Writing genau dieser Text referenziert würde. Ich finde diesen Zugang zur wilden und ungeordneten, per Definition chaotischen Natur total spannend, und die Schlussfolgerung mit dem Schatten, der nicht auf dem Papier verbleibt, sondern weiterzieht, "lawfully and with great majesty", einen absolut schlüssigen Bogen zu den Versuchen, Natur durch poetische und künstlerische Mimesis abzubilden. Bin eh Pandora-Fan, aber das ist bislang eine meiner liebsten Passagen im ganzen Buch, und es gibt darin so viele fantastische Erzählungen.
Danke für die Blumen. Ich hänge an dem Überbevölkerungs-/Verhütungsthema ebenfalls fest, habe mir vorgenommen mal zu recherchieren (außer jemand von euch weiß es ;-) wie es mit Familienplanung in indigenen Kulturen aussieht. Vermutlich ist auch hier die industrialisierte westliche Welt nicht die Speerspitze der Zivilisation, wo Frauen zum Ende des 19. Jahrhunderts regelhaft Kinder „am laufenden Band“ bekamen, die kaum ernährt werden konnten, zu Auswanderungswellen führten und damit wiederum indigene Kulturen verdrängten. Beschäftigt mich.
Habe einen Artikel dazu gefunden, falls es noch jemanden interessiert: https://traditionelle-ernaehrung.de/bevolkerungskontrolle-traditionell/
Guten Morgen!
Oberflächlich gelesen könnte man diesen Roman als Fleißarbeit einer fantasiebegabten, beinah "spinnerten" Autorin einordnen, wäre das Werk nicht durchzogen von Querverweisen auf Religion, Philosophie, Mythologie, Weltanschauungen unserer Kultur - wohl der Kultur der Menschen "zur Zeit außerhalb" oder "als sie außerhalb der Welt lebten", S.196:
gleich zu Beginn in der "Anmerkung vorweg" wird das chinesische Daodejing mit seiner humanistischen Botschaft und dem angestrebten Ziel des Weltfriedens erwähnt.
Immer wieder taucht das "Jetzt" in den Überlegungen auf, quasi die Grenze zwischen Vergangenem und Zukünftigem, die beides gleichzeitig trennt und zusammenhält.
Später stößt man auf Erzählsteins recht anschauliche Beschreibung der Intoleranz und Ausgrenzung mit entsprechenden, ausgefeilten Kriegstechniken zur Betonung und zum Erhalt der eigenen Überlegenheit, die die Überheblichkeit einer monotheistischen Gesellschaft (Kondorleute) mit sich bringt.
Dann wiederum der Pantheismus der Kesh, deren Zusammenleben auf "unhinterfragtem tribalem Allgemeinwissen" basiert und von intuitiven, sinnenfrohen Ritualen geprägt, ja bestimmt ist: Wein- und Tabakkonsum, Tänze und Gesänge bis zur Ekstase, Glücksspiel, aber auch blutige Opferrituale, über deren Zeremonie nichts preisgegeben werden dürfe, weil sie heilig und ein Mysterium sei, (S.237). Ich finde darum auch die Erzählung der Mondtänze stimmig, da von Einvernehmlichkeit und Absprache, von Regeln und klar definierten Grenzen und Abläufen die Rede ist, gewisse Altersgruppen und Personenkreise, für die das Ritual nicht gedacht ist, fernbleiben sollen und wollen. "Es ist leicht zu sagen, dass solche Bräuche barbarisch seien, aber was heißt das schon?" S.249
Was mich ebenfalls beeindruckt ist die Vorstellung der Zeit als Raum, als Haus: "Er verräumlicht die Zeit; sie ist kein Pfeil, kein Fluss, sondern ein Haus, das Haus, das er bewohnt(...)", S. 220. Dass die Kesh diese Dimension für sich erschlossen haben werden, hilft Textpassagen zu deuten wie jene auf S. 173: "Doch dann sah eine Frau, die auf einer Wiese namens Chumo Schafe hütete, viele der alten Leute tanzen, die in Berred gelebt hatten und gestorben waren. Sie kamen frühmorgens vor Sonnenaufgang dorthin, um zu tanzen".
Dazu passt auch die Überzeugung, dass erst alles einen Abschluss braucht, damit es einen Neuanfang geben kann: S.205: "Wie kann es nur ein einziges Mal angefangen haben? Das geht gegen den Sinn. Die Dinge müssen geendet und wieder angefangen haben, damit es weitergehen kann, so wie die Leute leben und sterben, alle Leute, auch die Sterne." S.172: "Einigen gefiel das nicht, weil (...) sie die Rückkehr zum Alten als schlechten Neuanfang empfanden." Interessanterweise formuliert auch Erzählstein eine persönliche Erfahrung mit den vergleichbaren Worten: "Da ich keine vollständige Person war, konnte ich auch keine andere werden." S. 248
Sowie die Sterbeanleitung auf den Seiten 114-115: Westwärts zum Sonnenaufgang
Ich mag die Gedichte, sie erinnern mich an die von mir sehr geschätzten japanischen Tanka und Haiku, die in kurzen, in der Regel reimfreien Versen Naturwahrnehmungen zum Thema haben, die wiederum die emotionale Verfassung des Poeten widerspiegeln.
Pandora Hoffnungsträgerin könnte die Dea ex Machina in diesem Epos sein. Mal schauen.
Ich beschäftige mich gerne weiter mit LeGuins Welt und lasse mich überraschen.
Liebe Grüße, habt einen guten Start in die Fastenzeit - Claudia
Falsche Taste erwischt:
„In der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix.“
Mein Fazit: Ich lese das Buch mit einer gewissen Faszination, aber ein Lesefluss ist noch nicht entstanden. Gespannt bin ich total auf die weitere Entwicklung von Nordeule und Vieles an „theoretischem“ Hintergrund erinnert mich an Szenen aus dem Alten Testament.
Vielen Dank , liebe Magda, für Deine Gedanken zur Leseetappe. Ich bin überrascht, dass sie fast deckungsgleich mit meinen sind. Mich beschäftig(t)en insbesondere zwei Gedanken in dieser Etappe: die Rolle der Frauen. Dieses Mondtanz- Ritual hat mir beim Lesen den Atem verschlagen. Es klingt alles nach einer befreiten Sexualität, was sie jedoch v.a. für die Männer ist. Nicht nur die 68er, auch die MeToo - Debatte passt dazu, wenn ich die Argumente der Männer höre über das vermeintliche Einverständnis der Frauen.
Die frauenfeindliche Welt der Kondorleute wird beeindruckend dargestellt, wobei ich denke, es gibt diese in der realen Welt immer noch. Das Erstarken der Rechten und Autoritären hängt m.E. auch mit dem Ringen vieler Männer um die Vormachtstellung zusammen, denn in der Regel ist deren Plan, die Rechte der Frauen massiv zu beschneiden. Darüber können auch die in dieser Bewegung aktiven Frauen nicht hinwegtäuschen . Nicht nur Frauenfeindlichkeiten fallen mir in dem Zusammenhang auf, sondern auch Rassismus. Das wird deutlich in der beschriebenen Ausgrenzung fremder Menschen. Ich frage mich ebenfalls, wie lange es Nordeule, die ihren Vater ja freiwillig in sein Land begleitet wird. Als ausgezeichnete Beobachterin ihrer Umgebung hat sie au dem Weg dahin schon die Reise durch unterdrückten Länder und der Angst der Bewohner*innen beschrieben. Damit komme ich zu meinem zweiten Gedanken. Diese junge Frau ist eine Suchende, der es an Wurzeln fehlt, was mir an der folgenden Stelle auf S. 227 bewusst wurde „Doch ich ging in Unwissenheit, und es war die Güte des Löwen, die Barmherzigkeit des Bussards, die mich auf dem Weg hielt. In meinem Zuhause lag vieles im Argen, und meine Leute sorgten nicht dafür, dass ich eine ordentliche Ausbildung erhielt.“ Mich stimmte diese Stelle traurig. Im weiteren Text analysiert Nordeule die Schwiergkeiten ihrer Großmutter und Mutter mit sich und dem Leben, wodurch ihnen die Kraft fehlte, sich um Nordeule entsprechend zu kümmern und auch ihre eigene Verweigerungshaltung. Kein Wunder, dass sie enthusiastisch mit ihrem Vater zieht. Schon wieder finde ich diese Situation aus dem Buch in unserer Gesellschaft wieder. Die Erkenntnis, dass Kinder und Jugendliche Zeit und eine reich ausgestattete Umgebung benötigen wird leider nicht umgesetzt. In meinen jungen Jahren hieß es „ in de4 Rüstung
Ja, Nordeules Geschichte ist wirklich auch ziemlich tragisch, es fehlt ihr eindeutig am nötigen Halt und unterstützung aus ihrem Umfeld, und auch die Keshgesellschaft ist womöglich, wenn man ganz genau hinschaut, gar nicht sooo frei und utopisch, wie es vielleicht auf den ersten Blick wirken mag. Da ist es kein Wunder, dass Nordeule sich trotz aller Alarmglocken, die bei uns Leserinnen im Bericht über die Kondorgesellschaft sofort losschrillen, erstmal zu dieser für sie ganz neuen Welt und Gesellschaftsordnung hingezogen fühlt, das scheint mir ein sehr wichtiger Schritt auf ihrer Identitätssuche zu sein. Bleibt zu hoffen, dass sie es schafft, beide ihre Herkunftsteile irgendwie auf gesunde Art miteinander in Einklang zu bringen.
Kann mich den positiven Eindrücken nur anschließen. Ich war auch beim zweiten Abschnitt wieder mit Neugier und Faszination dabei und bin gespannt, wie sich die Welt immer weiter aufblättert. Tatsächlich erscheint mir die Welt manchmal wie eine Verbindung aus historischem Roman und einer Utopie. Eine komplett neue Leseerfahrung! Neben Nordeules Bericht fand ich die Kriegsbeschreibung gegen die Schweineleute, das Kapitel „Stadt und Zeit“ mit der Unterscheidung von der Stadt des Geistes und der Stadt des Menschen, die Passage zu Menschenleuten auf S. 220-221, das Theater bzw. dass die Bühne so aufgeteilt ist, wie die Welt, mit Spirale und Scharnier, sehr interessant. Freue mich also schon auf den nächsten Abschnitt.
Ja, das ist eine total faszinierende Mischung, dass sich vieles irgendwie so liest, als wären es historisch-archäologische Beobachtungen, aber es spielt eben alles in der fernen Zukunft.
Vllt war ich auch zu ungeduldig & hätte einfach bis zur 2. Etappe warten sollen, bevor ich leise Kritik übe, wo denn die Infos über alte Zivilisation bleiben 😅
Die Stadt sieht in meinem Kopf ein wenig wie bei The Last of Us 2 aus.
Bei den verseuchten Gebieten musste ich neben radioaktive Stoffe, auch an ausufernde (industrielle) Landwirtschaft gepaart mit Klimawandel denken: der Boden & das Grundwasser wurden stark verseucht & der ausbleibende Regen schafft folglich keine Abhilfe. Das würd für mich auch ins Bild passen, dass die »Rückwärtsköpfigen«, sich selber ins Unglück reiten. (Egal ob Atommüll/-krieg oder Klimawandel, beides scheint im Moment plausibel zu sein, in das wir uns hineinreiten werden… Spaß 😑)
Mich hat die Erzählsteingeschichte wieder sehr gepackt. Und an diese beiden Stellen denk ich immer noch:
»Ich habe oft an diese Zeit gedacht, als wir auf der Terrasse am Dutthügel saßen, und zu erstehen versucht, warum wir so redeten und uns so verhielten, wie wir es taten. Wir waren beide krank, und unsere Krankheiten sprachen zueinander. Wir schienen frei zu entscheiden, aber wir waren Getriebene. Ich klammerte mich an ihn, doch ich war die Stärkere von uns beiden.« (S.240/1)
»Wie ich sie schildere, klingt diese Weltanschauung närrisch. Das liegt an mir, meiner Stimme; ich bin die Närrin, denn ich kann nichts für die Verkehrungen. Der Dayao-Weg war ohne Clowns oder Clownerie, ohne Verkehrung oder Wendung, gerade, einfach, schrecklich.« (S.260)
Die Geschichte »Die Probleme mit den Bauwollleuten« gefiel mir auch gut.
Ich fand es witzig, dass es Menschen gibt, die sich durch die Datenbanken wühlen & eigentlich sollte man meinen, dass sie durch den Zugang zu so vielen Daten, die klügsten Menschen im Dorf sind, but nope, nicht wirklich.
Es fühlt sich wie ein Treppenwitz der Gesichte an, dass die »Rückwärtsgewanten« es geschafft haben das Datensystem (die Computer) so autark zu gestallten, dass es sie überlebt & wahrscheinlich auch mit der Hoffnung, dass es »in der Zukunft irgendwem nach einer Katastrophe helfen wird klarzukommen.« 🙃
Die Mondtanznächte waren auch eher cringe als wirklich gelebte sexuelle Freiheit.
Pandora kann ich ebenfalls schlecht einordnen, sehen diesen Passagen aber immer gerne entgegen. Vllt sollte ich mal 1-2 hintereinander lesen, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen 🤔
Die Probleme mit den Baumwollleuten war so ein schönes Reiseabenteuer! Allein als die Dampflok da unverhofft auftauchte... Großes Kino
„Sie küssten mit offenem Mund“ da war das mit der Enthaltsamkeit schwierig.... hahaha - die Sexszenen sind jetzt aber auch nicht meine liebsten Stellen
Ich zucke jedesmal innerlich zusammen, wenn im Text wieder das Wort "ficken" vorkommt haha.
Allerdings habe ich sehr gelacht bei dem einen Tabetupah-Sketch, wo die Frau beim Pinkeln den Mann mit dem großen Penis sieht und einen anzüglichen Witz macht. Das macht die Kesh, trotz Cringe-Faktor, irgendwie sympathisch und glaubhaft als Kultur, dass sie eben auch versaute Sketche und Lieder mögen, wie wir heutigen Menschen ja auch oft.
Ich bin leider so stark hinterher mit der Lektüre, dass ich nur hoffen kann, Euch irgendwann wieder einzuholen und nachträglich alles hier zu lesen und kommentieren. Es ist so ein großartiges Buch, das mich auch viel über das (und auch mein eigenes) Schreiben und Erzählen nachdenken lässt. Aber ich komme nur langsam voran, vielleicht genau deswegen. Freue mich auf die kommenden Kapitel und Geschichten!
Die Beschreibung der Stadt des Geistes hat mich umgehauen. Le Guin schreibt das 1985! Und nimmt eine autonome agierende Maschinenwelt vorweg, die sich komplett vom biologischen Leben abgespalten hat, also den Punkt der Singularität überwunden hat. Trotzdem scheint mir diese Wesensform - so technisch und seelenlos sie auch beschrieben wird - einen fast liebevollen Umgang mit den Menschen zu pflegen. Sie stellen die Börsen zur Verfügung. Sie digitalisieren kulturelles Erbe (auch wenn die Menschen im Tal das nicht sehr wertzuschätzen scheinen). Sie liefern jede angefragte Information ohne Einschränkung (man könnte auch sagen, ohne Verantwortung zu übernehmen - ethische Fragen spielen für den Austausch keine Rolle). Ich musste an das Gedicht von Richard Brautigan denken:
Wir alle behütet von Maschinen voll liebender Gnade
Ich stell mir gern vor -
- und je schneller desto besser -
so ne kybernetische Wiese
wo Säugetiere und Computer
zusammen leben in sich
gegenseitig programmierender Harmonie
wie reines Wasser
den klaren Himmel berührend.
Ich stell mir gern vor
- genau jetzt, bitte! -
einen kybernetischen Wald
voller Pinien und Elektronik
wo Rehe friedlich an
Computern vorbeibummeln
als wären das Blumen
mit spinnenden Blüten.
Ich stell mir gern vor
es muss so sein -
eine kybernetische Ökologie
wo wir frei von unseren Mühen
wieder vereint sind in der Natur
zurück bei den Animals
unseren Brüdern und Schwestern
Wir alle behütet von Maschinen
voll liebender Gnade
Das ging mir auch so, 1985 - vor 40 Jahren - geschrieben. Mit den Maschinen kann ich mir aber kein Zusammenleben vorstellen, bevorzuge die echte Wiese . 🤗
Wow, irgendwie habe ich beim Lesen der Beschreibung der Stadt des Geistes komplett vergessen, dass der Text ja aus den 80ern stammt und Le Guin damals also noch weitaus spekulativer (und weitsichtiger) unterwegs war als jemand, der so einen Text in der heutigen Zeit mit all ihren rasanten Entwicklungen in Sachen AI etc. schreiben würde. Danke auch für das Gedicht, das ich noch nicht kannte!
Ich war sehr glücklich, dass wir hier einiges über die alte Zivilisation erfahren haben - in der ich das Schlechteste unserer Welt wiedererkenne. Irgendwie ist das noch eine umgekehrte Form der Archäologie, im Text unsere Welt wiederzufinden - hinter der Katastrophe, die unsere Welten wie ein Scharnier trennt.
Die Figur der Pandora beschäftigt mich - einerseits halte ich sie einfach für das Alter Ego der Autorin, die Erzählerin. Andererseits frage ich mich, wieso so eine symbolhafte Figur gewählt wurde, explizit mit ihrem griechischen Sagen-Hintergrund als Unheilbringerin. Sie fragt sich hier selbst (S. 188) ob sie die Auslöserin der Katastrophe war, die die Zivilisation gebracht hat. Vielleicht weil die antiken Griechen als Wiege unserer westlichen Zivilisation gelten - die sich in der Folge, wie hier ja auch steht, mit Kriegen, Kolonialismus und Verbrechen am Rest der Menschheit schuldig gemacht hat? Pandora scheint mir hier jedenfalls sehr aus ihrer Rolle als „nüchterne“ Beobachterin zu fallen (vgl. S. 128). Die Verortung ihrer Textstellen in Raum und Zeit ist schwierig, oder?
Ja, ich schwanke auch die ganze Zeit in meiner Interpretation der Pandora-Passagen!
Sehr treffend, was du über die uns von der Zukuftswelt trennenden Katastrophe als "Scharnier" schreibst, die ganze Scharnier-Symbolik des "heyiya", die uns in den Texten ständig und auf die utnerschiedlichsten Arten begegnet, finde ich eh total faszinierend.
Die Rolle der Pandora habe ich bisher kaum in den Blick genommen. Werde ich nachholen.
Ich hänge nach einer Woche in Berlin bei den Kindern und wegen des Karnevals im Rheinland leider zurück. Hoffentlich kann ich in den kommenden Tagen die Lektüre nachholen. Klingt jedenfalls nach wie vor spannend. Karnevalistische Grüße aus Bonn! Susanne