Von Monstersex, Tiermetamorphosen und dem Erwachsenwerden in der Sommerhitze
Außerdem empfehle ich zum Women in Translation Month eine Handvoll Übersetzungen
Ihr Lieben,
nach dreiwöchiger Pause melde ich mich zurück zum Dienst (während ich gerade Pause von meinem hauptberuflichen Job mache). In diesen letzten Wochen habe ich sehr viel gelesen, von dem ich Euch bisher noch nichts erzählt habe, es kommt also gleich Einiges auf Euch zu!
Bevor ich euch aber mit Lektüretipps überrolle, erst noch kurz eine Ankündigung in eigener Sache:
Ich habe hier ja schonmal erwähnt, dass ich zu meiner großen Freude für den diesjährigen Young Excellence Award des Börsenblatts nominiert bin (hier noch einmal das tolle Portrait, das Isabella Caldart über mich geschrieben hat). Seit letzter Woche ist nun die "Wahlkabine" offiziell eröffnet und Ihr könnt noch bis zum 15.8. online für eine*n der 11 tollen Kandidat*innen abstimmen. Falls Ihr gut findet, was ich in Sachen Literaturvermittlung alles so mache, würde ich mich über Eure Stimme freuen! Hier gehts zur Abstimmung.
Seit ich vor einigen Jahren das Werk von Marlen Haushofer für mich entdeckt habe, greife ich immer wieder nach Büchern, in denen übernatürliche bzw. rational nicht erklärbare Ereignisse in das (heteronormative) Leben von Frauen (insbesondere von Müttern) einbrechen und ihnen letztendlich dabei helfen, sich zumindest ein wenig aus den patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen, in denen sie gefangen waren, zu befreien. Neben Haushofers Meisterinnenwerk Die Wand (eine Frau macht mit einem befreundeten Paar Urlaub in deren Berghütte; eines Morgens erwacht sie dort allein und stellt fest, dass sie hinter einer den kompletten Berg umschließenden unsichtbaren Wand gefangen ist) und dem koreanischen feministischen Bestseller Kim Jiyoung, geboren 1982 von Nam-Joo Cho (Ü: Ki-Hyang Lee; die Protagonistin, die kürzlich ihren Job aufgegeben hat, um sich um ihr Baby zu kümmern, fängt plötzlich an, abwechselnd die Persönlichkeiten verschiedener ihr bekannter Frauen anzunehmen) hat mich dabei im letzten Jahr Helen Phillips (leider bisher unübersetzter) Roman The Need ganz besonders beeindruckt:
Während der Dienstreise ihres Mannes ist Molly mit ihren beiden kleinen Kindern allein zuhause, als sie eines Nachts plötzlich Schritte im Nebenzimmer hört. Bestimmt sind es ihr Schlafmangel und ihre existenzielle Erschöpfung, die die junge Paläobotanikerin und Mutter Dinge hören und sehen lassen, die gar nicht da sind, oder? Aber die Schritte kommen wieder und aus dem Augenwinkel meint Molly eine Bewegung zu erhaschen. Schließlich sieht sie sich mit einem maskierten Eindringling mitten in ihrem Wohnzimmer konfrontiert, der viel zu gut über die intimen Details ihres Familienlebens bescheidzuwissen scheint. Mehr kann ich euch eigentlich nicht erzählen, ohne zu spoilern, aber ihr dürft mir ruhig glauben, dass dieser komplexe Roman über die Zweischneidigkeit moderner Mutterschaft noch ganz schön spannend und abgedreht wird. Twilight-Zone-Level abgedreht. Ich habe mich sehr gegruselt, aber auf die gute Art!
In den letzten Wochen habe ich nun mehrere Romane gelesen, die bei mir ein ähnliches wohliges Unbehagen ausgelöst haben wie The Need. Der erste davon war Kylie Whiteheads (ebenfalls noch unübersetzter) Debütroman Absorbed:
Die Protagonistin Allison ist seit Jahren mit ihrem Freund Owen zusammen. Die meisten ihrer Träume und Ziele aus Jugendjahren hat sie aufgegeben, sie arbeitet in einem langweiligen Job, an ihrem Roman arbeitet sie schin lange nicht mehr weiter, und eigentlich ist das einzige, was sie noch auszeichnet, ihre Rolle als Owens Freundin. Doch in letzter Zeit hat sie immer mehr das Gefühl, dass auch Owen ihr entgleitet. In ihrer Panik, Owen zu verlieren, absorbiert sie ihn eines Nachts. Wortwörtlich. Die beiden haben betrunkenen Sex in einem Hotelzimmer und mitten im Akt saugt Allison Owen einfach in sich auf. Fortan nimmt sie nach und nach immer mehr von Owens Persönlichkeitszügen an und hat dabei das Gefühl, endlich zu dem Menschen zu werden, der sie schon immer sein sollte. Aber wie lange kann sie den wahren Grund für Owens Verschwinden geheimhalten? Und hat die Absorption womöglich etwas mit Allisons ungewöhnlichem frühkindlichen Trauma zu tun? Ein gruseliges, lustiges und unrealistisch realistisches Buch über moderne romantische (und platonische) Beziehungen, während dessen Lektüre ich mich mehrmals ziemlich ertappt gefühlt habe!
Kommen wir endlich zum im Titel dieser Newsletterausgabe angekündigten Monstersex! Bei dem betreffenden Monster handelt es sich um eine über zwei Meter große, aufrecht gehende, froschähnliche Meereskreatur namens Larry, die eines Tages plötzlich bei Dorothy in der Küche steht. Larry ist aus dem Forschungszentrum, in dem er von Wissenschaftlern gefoltert und sexuell missbraucht wurde, ausgebrochen und wird seither von der Polizei gesucht. Dorothy, deren Ehe seit dem Tod ihres kleinen Sohnes und ihrer kurz darauf erlittenen Fehlgeburt nur noch Fassade ist, versteckt das avocadoliebende Froschmonster kurzerhand im von ihrem Ehemann nie aufgesuchten Gästezimmer, wo die beiden nicht nur viel und sehr guten Sex haben, sondern auch Pläne schmieden, wie sie Larry unbemerkt zurück in seine ozeanische Heimat irgendwo im Golf von Mexiko schmuggeln können. Ob das ganze gut ausgeht und welche Auswirkungen Dorothys amouröses Abenteuer auf ihre Ehe hat, könnt Ihr in Rachel Ingalls herrlich absurder Novelle Mrs Caliban (Mrs. Calibans Geheimnis, Ü: Werner Löcher-Lawrence) nachlesen!
Auf Rachel Yoders Roman Nightbitch habe ich mich seit Monaten gefreut und als er dann endlich erschienen ist, habe ich mich erst nicht getraut, ihn anzufangen, weil ich plötzlich doch Angst hatte, dass meine Erwartungen zu hoch sein könnten. Dann hab ich mich aber doch dazu aufgerafft und OMG, meine Ängste waren völlig unberechtigt, denn ich habe dieses Buch verschlungen!
One day, the mother was a mother but then, one night, she was quite suddenly something else...
Die Mutter in diesem Roman war mal Künstlerin und hatte einen Galerie-Job, den sie liebte und der sie erfüllte. Dann bekamen sie und ihr Mann ein Kind und die Mutter stellte schnell fest, dass bei ihrem Versuch, die Berufstätigkeit und die Mutterrolle zu Jonglieren, alle Beteiligten zu kurz kommen. Also gab die Mutter ihren Job auf, um seit zwei Jahren full-time alleine für ihren kleinen Sohn verantwortlich zu sein, während ihr Mann fünf Tage die Woche, 40 Wochen im Jahr auf Dienstreisen verbringt und sie nur ab und zu aus weit entfernten Hotelzimmern anruft, während er lustige Memes auf seinem Laptop anguckt und sich den Roomservice schmecken lässt. Die Mutter währenddessen ist einsam, erschöpft, intellektuell unterfordert und allgemein kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Doch eines Nachts fallen ihr seltsame Veränderungen an sich auf. Schärfere Eckzähne. Ungewöhnlich haarige Stellen im Nacken. Neue Gelüste und Instinkte. Ihr Mann hält sie für hysterisch, aber die Mutter ist überzeugt davon, dass hier eine aufregende Verwandlung im Gange ist…
Die Lektüre von Nightbitch war dann wiederum der Auslöser für mich, endlich mal eine bestimmte Novelle aus den 1920er Jahren zu lesen, die ich schon lange auf meiner Liste hatte und in der sich eine sittsame viktorianische Ehefrau beim Waldspaziergang mit ihrem Mann eines Tages ganz plötzlich in einen Fuchs verwandelt, nämlich David Garnetts Lady into Fox (Dame zu Fuchs, Ü: Maria Hummitzsch). Das wiederum brachte mich dann dazu, den Kurzgeschichtenband Madame Zero von Sarah Hall auszugraben, den ich schon seit Monaten ungelesen zuhause liegen hatte, weil ich gehört hatte, dass darin mit der Erzählung "Mrs Fox" eine moderne Adaption/Neuinterpretation von Garnetts Novelle enthalten sei. Eigentlich wollte ich nur diese eine Geschichte daraus lesen und das Buch dann wieder beiseite legen, aber dann blätterte ich doch weiter, las den ersten Satz der nächsten Erzählung und konnte dann das Buch nicht mehr aus der Hand geben. Belohnt wurde ich mit einigen sehr guten Kurzgeschichten u.a. darüber, wie das bekiffte Überqueren rostiger Brücken tief im Innern verborgene Kindheitstraumata zum Vorschein bringen kann, über postapokalyptische Sturmwelten, paranoide Pharmazeuten während einer globalen Pandemie (I know, I know; das Buch ist von 2017!) und einen Sexsucht verursachenden Tumor. Jetzt möchte ich natürlich alles von Sarah Hall lesen, als allererstes ihren gerade auch in deutscher Übersetzung erschienenen feministisch-dystopischen Roman The Carhullan Army (Die Töchter des Nordens, Ü: Sophie Lindsey).
Und bevor wir zum nächsten Themenblock übergehen, noch ein letztes Wort zu Fuchsmetamorphosen: wer ihn noch nicht kennt, sollte dringend auch Elisabeth Klars tollen Roman Himmelwärts lesen, eine warmherzige Großstadtfabel, in der sich nicht eine Menschenfrau in einen Fuchs verwandelt, sondern umgekehrt eine Füchsin eines Tages kurzerhand eine Menschenhaut von einer Wäscheleine stiehlt. Fortan lebt sie als Menschin in der Stadt und findet gemeinsam mit anderen Außenseiter*innen und Nachtgestalten Zuflucht in einer kleinen Drag-Queen-Bar…
Übersetzungen von literarischen Texten aus anderen Sprachen als dem Englischen machen nur einen kleinen Bruchteil des englischsprachigen (und auch es deutschsprachigen) Buchmarktes aus und unter den vergleichsweise wenigen fremdsprachigen Büchern, die ins Englische (bzw. Deutsche) übersetzt werden, sind dann wiederum die von Frauen verfassten Werke deutlich in der Unterzahl. Um auf dieses Ungleichgewicht aufmerksam zu machen und die Entscheider*innen der Branche zu einem Umdenken in Sachen Geschlechtergerechtigkeit zu bewegen, hat ein Kreis literarischer Aktivist*innen um die Biologin und Bloggerin Meytal Radzinski vor einigen Jahren den August zum jährlichen Women in Translation Month erklärt. Ich muss leider zugeben, dass auch ich in meinem Lesen viel zu sehr auf den englisch- und deutschsprachigen Raum fixiert bin. Auch wenn ich in der Hinsicht eindeutig noch Nachholbedarf habe, möchte ich Euch trotzdem noch ein paar übersetzte Bücher von Autorinnen ans herz legen, die ich dieses Jahr gelesen habe (einige weitere Highlights habe ich ja in früheren Ausgaben dieses Newsletters bereits besprochen):
Und jetzt muss ich gleich das letzte Thema noch einmal aufgreifen, denn Nightbitch war nicht das einzige Buch, das ich in diesem jahr gelesen habe, in dem sich eine Frau in eine Hündin verwandelt. In Alma Mathijsens kurzem Roman Ich will kein Hund sein (aus dem Niederländischen von Andreas Ecke) geschieht das aber, anders als der Titel vermuten lässt, zunächst bewusst und freiwillig. Denn die Protagonistin leidet darin so unter der Trennung von ihrem Exfreund, dass sie die Dienste eines besonderen Start-Ups in Anspruch nimmt, welches nicht nur die Verwandlung von liebeskranken Menschen in Hunde, sondern auch allen dadurch entstehenden bürokratischen Aufwand in die Hand nimmt. Klingt nach Black Mirror, liest sich auch so!
Auch wenn ich den Kurzgeschichtenband Cockfight (aus dem Spanischen ins Englische übersetzt von Frances Riddle) der ecuadorischen Autorin María Fernanda Ampuero ziemlich gut fand, kann ich ihn nur mit einer deutlichen Triggerwarnung für Vergewaltigung/Inzest/körperlichen und psychischen Missbrauch weiterempfehlen. Die darin enthaltenen Geschichten, von denen die meisten von sexualisierter und sonstiger (patriarchaler) Gewalt gegen Frauen und Mädchen und damit verbundenen Traumata handeln, sind allesamt sehr brutal und auch ich bin beim Lesen mehrmals an die Grenzen des Aushaltbaren gestoßen. Irgendwie lassen sie mich trotzdem nicht los.
Um Frauen im Patriarchat geht es auch in den Erzählungen in Rumena Bužarovskas Mein Mann (aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer), allerdings geht es hier im direkten Vergleich doch weitaus weniger brutal zu. Der titelgebende Mann ist mal ein mittelmäßiger Dichter, mal ein eitler Gynäkologe, der schlechte Bilder malt, in jedem Fall aber einer, der seine jeweilige Partnerin auf die eine oder andere Art kleinzumachen versucht. Die Frauen erzählen von dysfunktionalen Beziehungen und den erbitterten Kämpfen um Selbstbestimmung und -verwirklichung, die hinter den Fassaden bürgerlicher Ehen oft toben, und das trocken, lakonisch, spöttisch und oft unglaublich witzig. Manchmal bleibt der Leserin dabei aber auch das Lachen im Halse stecken!
In vielen der Bücher, die ich hier empfehle und in der Vergangenheit empfohlen habe, geht es um die Herausforderungen, Probleme und Widersprüchlichkeiten von moderner Mutterschaft. Ein Thema, das mich gleichzeitig sehr interessiert, mir andererseits aber auch persönlich eigentlich sehr fremd ist, da ich das Mutterwerden für mich als Lebensentwurf ziemlich kategorisch ausschließe. Deshalb habe ich mich sehr mit Linn Strømsborgs Roman Nie Nie Nie (aus dem Norwegischen von Stefan Pluschkat) identifiziert, der genau dieses Thema anspricht. Die Protagonistin, Mitte 30, hat sich nämlich ebenfalls vor Jahren schon dazu entschlossen, keine Kinder haben zu wollen, und der Roman erzählt auf sehr empathische Art davon, wie sich diese Entscheidung auf ihre Beziehungen zu ihrem Partner, ihren Freund*innen und Bekannten und zu ihrer Familie auswirkt. Und kommt dabei ganz ohne Mütterfeindlichkeit aus!
Zu guter Letzt (für diesen Themenabschnitt, nicht für diesen Newsletter!) möchte ich Euch außerdem noch einen rumänischen Roman empfehlen, den ich aktuell lese: auch wenn ich erst knapp ein Drittel von Lavinia Braniștes Sonia meldet sich (aus dem Rumänischen von Manuela Klenke) durch habe, bin ich bisher sehr angetan von dieser Geschichte über Sonia, einer jungen Frau im modernen Bukarest, die den Auftrag erhält, ein Film-Drehbuch über die Beziehung zwischen der ehemaligen Diktatorengattin Elena Ceaușescu und deren Tochter Zoia zu verfassen. Weil Sonia aber zu jung ist, um die rumänische Diktatur und den Regimewechsel von 1989 bewusst miterlebt zu haben, fällt ihr die Recherche zunächst ziemlich schwer und sie muss ihr Drehbuch immer wieder umschreiben, denn "die Vergangenheit ist ein genauso chaotischer und unsicherer Ort wie die Zukunft". Sonias Verwirrung und Ahnungslosigkeit, was die Geschichte ihres Landes angeht, macht den Roman besonders ansprechend für Leser*innen wie mich, die selbst leider auch überhaupt keine Ahnung von rumänischer Geschichte haben. Hoffentlich bin ich nach der Lektüre etwas informierter. Ich habe jedenfalls seit Lektürebeginn schon sehr viele Wikipediaseiten (quer)gelesen!
Einer meiner liebsten Romane als Jugendliche, nachdem ich ihn mit ca. 17 einmal zufällig in einer zerfledderten und vergilbten Taschenbuchausgabe auf dem Flohmarkt entdeckte, war Françoise Sagans skandalöser (weil von einer Jugendlichen innerhalb weniger Wochen verfasster und von, OMG, Sex und Affären handelnder) Erfolgsroman Bonjour Tristesse (Ü: Rainer Moritz; ich habe ihn in der alten Übersetzung von Helga Treichl gelesen) von 1954 über einen Sommer mit fatalen Folgen, den die scharfsinnige, launische, manipulative junge Halbwaise Cécile zusammen mit ihrem Vater an der französischen Riviera verbringt. Ich habe diesen Roman damals verschlungen und dann Sommer für Sommer immer wieder gelesen und lange Zeit nichts Vergleichbares gefunden. Jetzt habe ich in den letzten Wochen aber zwei Coming-of-Age-Sommer-Romane, beide ebenfalls aus den (späten) 50er Jahren, gelesen, die (zumindest in meinen Augen) einen ganz ähnlichen Vibe hatten. Sprich, es geht in beiden, genau wie in Bonjour Tristesse, um (inzwischen erwachsene) Ich-Erzählerinnen, die an die Erlebnisse aus einem bestimmten Sommer ihrer Jugend zurückdenken, während derer sie auf mitunter brutale Art mit den düsteren Geheimnissen des Erwachsenenlebens konfrontiert wurden.
Zuerst erwähnen, weil gestern erst beendet und deshalb frischer im Gedächtnis, muss ich hier Ana María Matutes Roman The Island, der 1959 mit dem Premio Nadal ausgezeichnet wurde und letztes Jahr in der Reihe Penguin Modern Classics in einer neuen englischen Übersetzung von Laura Lonsdale erschienen ist (orig. Primera Memoria; es gibt auch eine ältere englische Übersetzung von 1963 unter dem Titel School of the Sun von Elaine Kerrigan, als Erste Erinnerung erschien er 1965 in einer deutschen Übersetzung von Doris Deinhard, ist aber leider vergriffen). Der Roman handelt von der rebellischen vierzehnjährigen Matia, die nach dem Tod ihrer Mutter erst von ihrem Vater (einem Tunichtgut in den Augen von Matias restlicher Familie) zurückgelassen und später wegen Aufsässigkeit aus einer Klosterschule geworfen wird und nun bei ihrer strengen Großmutter, Doña Práxedes, auf der Insel Mallorca leben muss. Während Matia eine Hassliebe zu ihrem manipulativen Cousin Borja entwickelt und mit ihm in der Schwüle des Sommers die Insel erkundet, bricht weit weg auf dem Festland der spanische Bürgerkrieg aus. Schon bald sind die Folgen der Gewalt auch auf der Insel zu spüren und fördern uralte, verborgene Feindschaften und Vorurteile zutage. Und Matia lernt Dinge über die Erwachsenenwelt, vor denen sie lieber die Augen verschlossen hätte…
What an alien race adults were, how strange were men and women. And how alien and absurd were we. What strangers to the world, to the passing of time. We were no longer children. But neither, suddenly, could we say what we were.
Ich hoffe wirklich sehr, dass sich im Rahmen von Spaniens Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2022 ein deutschsprachiger Verlag die Rechte an einer Neuübersetzung dieses großartigen Romans gesichert hat, habe aber leider nisher noch nichts in diese Richtung vernommen. Verlage, worauf wartet ihr? Das Buch ist genau das richtige für z.B. Fans von Elena Ferrantes Neapel-Quartett!
Das letzte Buch, das ich Euch heute empfehlen möchte, wurde dagegen sehr wohl kürzlich ins Deutsche übersetzt — und was für ein Glück, einen perfekteren Sommerroman kann ich mir nämlich kaum vorstellen! Rumer Goddens The Greengage Summer (Unser Sommer im Mirabellengarten, Ü: Elisabeth Pohr) handelt von fünf englischen Geschwistern, darunter die älteste Schwester Joss und die Zweitälteste, Cecil, Ich-Erzählerin und feine Beobachterin des Romangeschehens, die gemeinsam mit ihrer Mutter unterwegs nach Vieux-Moutiers in Frankreich sind, als diese plötzlich schwer krank wird und die Kinder deshalb in dem in die Jahre gekommenen Hotel in der Champagne ganz auf sich allein gestellt sind. Zum Glück nimmt sich der charmante Engländer Elliot, Liebhaber der Hotelinhaberin Mademoiselle Zizi, ihrer an und erobert die Herzen der Familie im Sturm — besonders das der 16-jährigen Joss, die auf einmal kein Kind mehr sein, sondern lieber den Männern den Kopf verdrehen will. Doch zwischen den überreifen Mirabellenbäumen ist längst nicht alles so idyllisch, wie es scheint, und Joss und ihre Geschwister lernen zu begreifen, dass die Welt der Erwachsenen voller Geheimnisse ist und dass jeder Sommer einmal enden muss…
Nachdem ich The Greengage Summer vor einigen Wochen begeistert zuende gelesen hatte, bin ich mal wieder in eines meiner berüchtigten Recherche-Rabbit-Holes gefallen und habe deshalb hier nun eine ziemlich lange Liste bzw. einen ziemlich hohen Stapel mit (sommerigen) Coming-of-Age-Romanen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die ähnliche sultry-sinister Vibes versprechen und die ich unbedingt bald noch lesen möchte (auch wenn der Sommer dann vermutlich schon vorbei sein wird). Ich werde Euch dann trotzdem auch hier im Newsletter von den Highlights berichten — notfalls auch im tiefsten Winter!
Das war’s für heute, ich verabschiede mich jetzt in den Rest meines Urlaubs. Über Feedback, Wünsche, Vorschläge und Anregungen jeder Art freue ich mich immer.
Den nächsten Newsletter werde ich wieder an einem Mittwoch verschicken, vielleicht schon in einer Woche, vielleicht auch erst in drei. Bis dahin findet ihr mich auf Twitter.
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Bis zum nächsten Mal, frohes Lesen,
eure Magda
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